"Er gehörte meinem Vater und vor ihm dessen Vater. Ein Familienerbstück!""
, erwiderte der Aedil nicht ohne Stolz, selbst wenn er aus dem Stande nicht vermochte zu ästimieren, seit wie vielen Generationen eben jenes Exemplar in Umlauf war. Da seine Augen ihn in der Nähe im Stich ließen, war ihm auch leider verwehrt, die kunstvollen Schnitzereien im Elfenbein zu inspizieren, deren teils figürliche Darstellungen womöglich einen stilistischen Hinweis hätten gegeben, zu welcher Zeit sie waren geschaffen worden. Indessen zählte die genaue Provenienz wohl wenig, da doch das wichtigste war, dass er von einer langen und ehrenvollen Tradition im Hause Flavia kündete.
Deplorablerweise stellte Manius Minor, kaum hatte er Platz genommen, fest, dass das Sitzmöbel keineswegs bequem war: Das purpurne Polster (das selbstredend nicht so alt war wie das Gestell, sondern frisch aufgepolstert worden war) war äußerst hart, der Stuhl selbst für den mäßig mit Körpergröße gesegneten Flavius ein wenig hoch, sodass er lediglich am Rande konnte hocken, wollte er nicht das ridikulöse Bild eines Magistraten abgeben, dessen Beine von seinem Richterstuhle baumelten. Dass die Sella dazu der Tradition gemäß Rücken- und Armlehne entbehrte, machte es nicht eben besser. Tapfer lächelte er dennoch in die Runde, als er endlich saß.
"Dann lasst uns beginnen! Gibt es bereits erste Bittsteller?"
Diese Frage mochte selbstredend rhetorisch sein, denn das Marktgeschehen ruhte kaum während der Tage der Amtsübergabe, in welchen die scheidenden Aedilen nicht selten ein geringeres Pensum zu bearbeiten pflegten, während viele Kläger und Prozessparteien, deren Verfahren schwebten, verhofften, beim neuen Amtsträger mehr Glück zu haben als beim alten.