Oh, armer Dives. Valentina hätte ihn wohl wirklich gebeten zu gehen, wenn sie wüsste welche Kleinigkeiten er ihrer Zurückhaltung zugrunde legte. Die Freundschaft zu ihrem ehemaligen Verlobten spielte keine Rolle. Sie hatte sich von Aculeo im Guten getrennt und auch wenn es nicht angenehm war, trug sie keinen Groll in sich. Und sie hätte ihm auch Dives Ängste und das Ärgernis über ihr Mitwissen seiner besonderen Vorlieben genommen, wüsste sie davon. Ja es war in ihren Augen ein Vertrauensbeweis, dass Serapio ihr das erzählt hatte. Aber im Gegensatz zu Dives´ Ehefrau war Valentina niemand, die daraus Vorteile gezogen hätte. Wäre die Ehefrau jemand anderes, hätte sie im Höchstfall eine Art Mitleid für sie empfunden und vielleicht sogar ihre Freundschaft gesucht, sodass man sich austauschen hätte können. Da dies aber in diesem Fall vollkommen ins Reich der Mythen und Sagen abglitt, war das ein Wissen mit dem Valentina lebte und weiter nichts.
Es wäre nicht einmal nur die Tatsache, dass Dives der Mann einer sehr unangenehmen Person war. Sicherlich war dies belastend, doch es war einzig und alleine das Aufeinandertreffen im Theater gewesen. Seine Frau hatte eine so gräuliche Tat begangen mit der sie nicht nur ihr Leben sondern auch das ihrer Nichten zerstört hätte und er stand da und wollte es sich nicht einmal anhören. Es war die Arroganz, die er damals an den Tag gelegt hatte und die Tatsache, dass es ihm scheinbar egal war, was aus ihr geworden wäre. Selbst Serapios Worte, er hätte es sicherlich nicht so gemeint, konnten Valentina nicht gänzlich versöhnlich stimmen.
Sie konnte ihrem Gegenüber einfach nicht vertrauen. Er musste stets auf der Seite seiner Frau stehen. Dives war einfach der Mann der falschen Frau, denn das sich Valentina je mit Fausta aussöhnen würde war so unwahrscheinlich wie eine Versöhnung zwischen ihm und Serapio.
Zum Glück allerdings wusste sie von all diesen Dingen nichts und wollte an diesem Abend auch nicht weiter darauf eingehen. Es war ein schöner Anlass und niemand sollte ihn stören. Deswegen hatte sie sich mit ihren Nichten dem Korb mit Kränzen zugewandt und nun zierten die Häupter der Beiden, farblich passende Blumen.
Ein weiterer Gratulant kam hinzu, der eine aus Holz geschnitzte Quadriga überreichte. Valentina betrachtete sich die filigrane Arbeit und nachdem sie wusste wer er war, bedankte sie sich auch bei ihm mit einer freundlichen Umarmung. Er war schließlich Familie. Mit einem warmen Lächeln hoffte sie Serapios Cousin Casca für sich gewinnen zu können.
„Das ist wirklich eine sehr schöne Handarbeit. Es bekommt einen schönen Platz im Haus.“
Ihr Zukünftiger begrüßte dann ihre Nichten und Valentina fiel ein Stein vom Herzen. Nicht, dass sie es anders erwartet hätte, aber das nun zu sehen war ihr sehr wichtig.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Serapio die Hand hob um offensichtlich als nächstes ihren Nichten durch die Haare zu fahren. Sie wollte gerade erschrocken etwas sagen, als er zum Glück selbst darauf kam, dass dies keine gute Idee war.
„Nun, wenn du noch etwas Platz für zwei wohl erzogene, junge Damen in unserem Haus hast, dann würde es mich freuen, die Beiden auch weiterhin um mich haben zu können.“
Zwinkerte sie zuerst Sila und Pina zu und dann ihrem Zukünftigen.
Was das Temperament der Beiden anging würde Serapio sich wohl noch umschauen, aber das musste auch nicht heute Abend besprochen werden.
Licinus, nun wirklich als Soldat enttarnt, bekam von Valentina dann ebenfalls ein zustimmendes Nicken, als er mit seinem Kranz auf dem Haupte vor ihr stand. Sie konnte es ihm ansehen wie verdattert er war und sie wusste nur zu gut, dass dies sicherlich nicht die Standartbekleidung eines Soldaten war. Doch hier und heute war er nicht beim Militär. Er war heute Gast. Sie kam mit Sila und Pina auf ihn zu. „Darf ich meine Nichten vorstellen? Quintilia Sila und Pina.“ Vielleicht keine so gute Idee, da der Ärmste sicherlich heute noch in ein Gespräch verwickelt werden würde, doch auch das gönnte Valentina ihrer Nichte. Und der Mann vor ihr machte auf sie den Eindruck als könnte er ihr auch die nicht ganz so schönen Seiten eines Soldatenlebens erzählen. Ein keiner Einblick in die Realität wäre vielleicht nicht falsch und schürten Valentinas Hoffnungen, dass sie sich vielleicht doch noch umorientierte.
Dann hörte man freundlicher Saitenklänge und sofort verstummte die Gesellschaft. Auch Valentina hörte andächtig zu und kam nicht umher ihren Gedanken einen Flug über die Mauern dieses Anwesens zu gestatten. An einen Mann, auf den diese Worte, gerade die Sache mit der Sehnsucht zutrafen. Ja, der Abend wäre wirklich perfekt, wäre nun an Serapios Stelle jemand anderes. Und ähnlich wie dieser zu Borkan blickte, blickte Valentina über die Mauern als könnte sie dort oben, im langsam dunkel werdenden Abendhimmel, jemanden sehen, den sie so gerne an ihrer Seite hätte. Doch sie war nun hier, würde lernen Serapio auf ihre Art zu lieben und alleine der Anblick des Hauses machte ihr wieder mal deutlich, dass es keine falsche Entscheidung war. Es war vernünftig.
Das Lied fand sein Ende und als Serapio auf die Sängerin zutrat, lies auch Valentina ihre Nichten kurz in der Gesellschaft von Serapios Freund und folgte ihrem Zukünftigen. Sie hörte die Worte der Gedrückten und musste kurz lachen.
„Nun, solange er sie wirklich nur zerdrückt, soll es mir recht sein.“
Ein Segen und Fluch zugleich. Sie würde nie eifersüchtig auf andere Frauen sein müssen. Andererseits bewahrte sie ein Geheimnis.
„Camelia.“ Trat sie dann an die zierliche Frau heran und sah sie freundlich an.
„Meinem zukünftigen Mann muss wohl mein Name entfallen sein.“
Von der guten Laune an diesem Abend langsam angesteckt und auch etwas gelöst, sah sie Serapio scherzend an.
„Valentina.“ Überging die junge Quintilia dann mal Höflichkeitsfloskeln, wusste sie bis jetzt ja auch nur den Vornamen und, wie sie vermutete, einen Kosenamen ihrer Gegenüber.
„Das war wirklich ein wunderschöner Gesang. Vielen Dank für deine Glückwünsche.“
Bevor die junge Frau zur Antwort ansetzen konnte, sprach Dives einen Trinkspruch aus und schnell griff sich Valentina zwei Becher vom Tablett eines vorbeieilenden Sklaven. Einen davon reichte sie an Camelia weiter, wollte sie sicherlich nach der Gesangseinlage etwas trinken. Schweigend hörte sie an was der wichtige Mann zu sagen hatte und auch sie zog ihre Augenbraue nach oben, als Dives dann ein wirklich großzügiges Trinkopfer brachte. Doch sie schwieg, sie würde sich zu keiner Äußerung darüber herablassen. Es war dessen Entscheidung wie er sich benahm und sie hoffte inständig, dass sowohl er als auch seine holde Ehefrau am Tag ihrer Hochzeit ebenfalls von geschäftlichen Dingen davon abgehalten wurden zu kommen.
Sie konnte sich eines erschrockenen Zusammenzuckens nicht erwähnen, als Licinus den Trinkspruch einen Tick zu Laut bestätigte, doch das nahm sie ihm nicht übel. Das Militär war kein leiser und zurückhaltender Ort.
Mittlerweile hatte sich auf ihren Wangen ein rosiger Schimmer ausgebreitet. Es war ein wunderschöner Abend, ein großartiger Grund und es war sie, die heute dieses Glück erlebte. Nach so langer Zeit endlich glücklich zu werden, das war Grund genug. Ohne es zu bemerken glitt ihr Blick zu Serapio und sie sah ihn überglücklich an. Er war es, der ihr dieses Glück ermöglichte…