"Das habe ich eben auch gedacht... dass das schön wäre..." stimmte ich Borkan zu, mit einem leisen sehnsuchtsvollen Lächeln, das sich sodann in Ironie verzog – schön, aber nur Hirngespinst. "Abgesehen davon, dass mein Vater Feuer spucken würde wie der Vesuv über Pompeii" fügte ich sarkastisch hinzu, mit einem Blick auf Livianus, unseren Patriarchen, der da würdevoll an der Seite seiner edlen Gattin inmitten der Gäste stand. Resigniert war mein Blick, ehrfürchtig, und zugleich liebevoll. Mein Vater eben... Das schlimme war, dass ich ihn durchaus verstehen konnte (immer besser in den letzten Jahren): Rom war eine Schlangengrube, und in einer Schlangengrube gab man sich nun mal keine Blöße.
Borkan erhob sich, ich tat es ihm gleich und wies auf Seiana. "Da drüben, das ist sie."
Wir gingen hinüber. Valentina packte gerade etwas aus... so spontan wie das hier war hatte ich echt nicht mit Geschenken gerechnet, aber es weckte doch eine kindliche Freude trotzdem welche zu bekommen. Ob Seiana mir wohl auch was mitgebracht hatte?
"Was für ein aparter Farbverlauf," bewunderte ich das Gewand und fügte lächelnd, an Valentina gewandt hinzu: "Du musst dir ein paar Muscheln dazu ins Haar stecken, dann siehst du aus wie eine Meeresnymphe."
Darauf hatte ich nun endlich die Gelegenheit, Seiana und Borkan miteinander bekannt zu machen. Vertraut legte ich ihm den Arm um die Schulter, auf eine Weise die durchaus noch in einen freundschaftlichen Rahmen passte.
"So Schwesterherz, jetzt lernt du endlich meinen L...Lebensretter kennen" sagte ich zu ihr, und meine Aufregung war auch unter dem lässigen Tonfall nicht so ganz zu verbergen. Ich hoffte doch inständig dass sie sich ebenfalls sympathisch waren, und Seiana, so wie Massa es getan hatte, Borkan mit offenen Armen willkommen hieß. "Hier, meine große Schwester Seiana..."
Carmelita begann noch ein Lied für uns zu spielen. Ich ließ den Arm von Borkan Schultern gleiten, als die Aufmerksamkeit sich auf Valentina und mich richtete, und wandte mich meiner Nichte zu, lächelte versonnen und etwas wehmütig wie ich sie da so sah, bei Messalina und Casca, so erwachsen und schön, und mich in ihrer selbstsicheren Art die Worte zu setzen deutlich an ihren Vater, unseren verstorbenen Bruder, erinnerte.
Andächtig lauschte ich ihrem Lied. Es war wunderschön, klangvoll, und romantisch... Sehr romantisch. Mein Lächeln wurde gequält und gequälter. Warum nur bestanden denn alle darauf, uns als Liebespaar zu sehen?! Ich hatte doch mit voller Absicht nicht auf Venus, sondern auf Minerva den Becher erhoben, doch die Jugend schien mir heutzutage ganz ausgesprochen empfindsam gestimmt zu sein (das war mir schon bei Casca aufgefallen, als er mir mit so viel Seufzen sein Herz ausgeschüttet hatte.)
Unwohl huschte mein Blick kurz zu Borkan, wieder zu Valentina, deren Lächeln auch recht maskenhaft geworden war. Ich spendete lautstark Applaus als Camelia geendet hatte, und war dann ganz froh dass Germanicus Aculeo zu uns hinzutrat, und mit seiner arglosen Ansprache die Spannung aus der Situation herausnahm. (Dass ich mal froh darüber sein würde, einen Germanicus auf meinem Verlobungsfest zu haben, wenn mir das früher einer gesagt hätte, dem hätte ich den Vogel gezeigt.)
"Hahaha" lachte ich über das "halb Rom", meinte zu Aculeo: "eigentlich nicht, wir wollten nicht eine von diesen förmlichen Veranstaltungen, wo alle nur stocksteif rumstehen und kein Wort rausbringen."
Und dann wieder in die Runde: "Carmelita ist wirklich eine begnadete Künstlerin, nicht wahr? Als Kind war sie schon so ungeheuer musikalisch, und jetzt – aber hola! - hat sie das wirklich zur allerschönsten Blüte gebracht."
Ob sie vielleicht auch eines meiner Lieblingslieder aus der hispanischen Heimat kannte?
"Carmelita!" rief ich fröhlich zu ihr rüber, "Du meine Musengeküsste Nichte! Kennst du auch das Lied von dem Hirten im verzauberten Berg, oder dem Stierkämpfer aus Valentia? Oder das von der Tarantel?!" Für das Lied vom Schwein, das auf Reisen ging, war es vielleicht noch etwas früh...