STASIMON
Wieder war der Chor an der Reihe, um das Geschehen zu kommentieren und der Technik Zeit für die Vorbereitung der finalen Szene zu verschaffen:
"Des Vaters Wort traf schwer den Knaben:
sein Schicksal er ergreifen sollt'!
Konnt' weder Lust, noch Rast mehr haben,
eh' er gen Heimat kommen wollt'.
In seinem Ohr Muphases Worte
hallten so laut wie Kriegsgeschrei,
des Blutes Pflicht in ihm nun bohrte,
dass er der wahre König sei.
Dass seines Vaters Land verderbe
Helkos als grässlicher Tyrann,
mahnt' ihn, zu treten an sein Erbe,
aufdass sein Volk er retten kann.
So neuerlich ließ er sein Leben
zurück mit jenen Freunden dort,
statt nach der reinen Lust zu streben,
zog nun sein Herz zum Thron fort.
So musst' zum Vaterland er ziehen,
das unter der Tyrannis litt.
Dem Schicksal konnt' er nicht entfliehen,
dass er um's Vaterland nun stritt."
V. SZENE: ANTE REGE
Die Mechanik des Theaters wendete die Kulissen und zeigte nun eine prächtig geschmückte Säulenhalle, die offenbar zu einem Königspalast gehörte. Über eine Falltür erhob sich aus dem Boden ein prächtiger Thron, auf dem Helkos, gekleidet in purpurnen Mantel, eine goldene Krone auf dem Haupt und umgürtet mit einem reich verzierten Schwert, saß. Das Orchester spielte leise festliche Musik, wie sie zu einem Thronsaal passte.
Da plötzlich betrat Symbanes, ebenfalls mit einem Schwert umgürtet, die Bühne und schritt zügig auf den Thron zu. Die Musik verstummte. Helkos sah sich um und rief verärgert:
"Sagt mir, wer dieser Fremde ist!"
Dann blickte er genauer zu dem Jüngling, der sich nun direkt von seinem Thron aufbaute.
"Bei Hades - du Symbanes bist!
Wie kommt's, dass du so frech dich zeigst?"
Er wartete einen Augenblick auf eine Antwort, doch Symbanes erwiderte nichts. Helkos machte eine wegwerfende Handbewegung.
"'S ist besser für dich, wenn du schweigst!"
Helkos lachte auf, doch Symbanes ergriff nun doch das Wort und erklärte mit kühler Stimme:
"Ich zog durch meines Vater Land,
das einst man reich und blühend fand!
Doch nun ist dies' einst stolze Reich
verarmt und öd und brach zugleich!"
Drohend hob Symbanes den Zeigefinger und deutete anklagend auf seinen Onkel.
"Ein Fluch ist deine Herrschaft hier -
sie hat ein End': Das sag' ich dir!"
Helkos schien wie vom Donner gerührt. Dann aber lachte er wieder und erhob sich langsam und umständlich. Mit der Hand wies hinunter zum Chor, der nun in leuchtende Gewänder gekleidet war und den Hofstaat repräsentierte. An sie gerichtet sprach er:
"Er redet viel, der junge Mann,
von dem ich auch berichten kann!
D'rum hör', mein Volk, was ich nun sag':"
Er legte die Hand theatralisch auf seine Brust.
"-Ich meine den verfluchten Tag,
an dem Muphases, der vor mir
so gut und recht regierte hier,
mitten im Leben ohne Not
ganz unerwartet fand den Tod:"
Wieder wandte sich der König an Symbanes und fragte mit triumphalem Unterton:
"Erinnerst du dich noch an sie,
die schicksalsvolle Jagdpartie?"
Tatsächlich wirkte Symbanes plötzlich verunsichert und sank ein wenig zusammen. Nervös blickte er hinunter in die Menge des Chors.
"Ich will erzählen, damit man
Symbanes auch recht schätzen kann:
Denn ohne diesen Knaben hier
regiert' Muphasos noch statt mir!"
Erschrockene Laute erklangen aus der Schar des Chors. Hilflos hob Symbanes die Hände zu einer beschwichtigenden Geste.
"Ich will's erklären-" "Mörder, schweig'
Bis ich dem Volk die Wahrheit zeig'!"
fuhr Helkos dazwischen und hob mahnend den Zeigefinger. An den Chor gewandt setzte er nun an:
"Der Prinz, Muphases und auch ich
auf Jagdpartie befanden sich,
als morgens dann der Königssohn
schlich heimlich sich von uns davon!
Er lief zum Fluss Bouphorbia,
den zu durschwimmen ja sogar
den Helden nie gelungen ist -
bis auf Muphases, wie ihr wisst!
Doch dieser Knab', von Hochmut voll,
glaubt', dass dies Ruhm ihm bringen soll,
wenn er allein den Fluss durschwimmt,
der doch so viele Leben nimmt!"
Die Worte riefen erstaunte Reaktionen des Hofstaats hervor, während Symbanes kleiner und kleiner zu werden schien. Genüsslich fuhr Helkos fort:
"Ich mach' es kurz: Er sprang hinein,
noch ehe wir ihn holten ein.
Doch kam es, wie es kommen muss -
der große Held versank im Fluss.
Kläglich er nur um Hilfe rief,
worauf der König eilends lief
und aus der Vaterliebe schwer
dem Sohne sprang gleich hinterher!"
Helkos hielt wieder inne und hob bedeutungsvoll den Zeigefinger, seine Stimme klang beinahe triumphal:
"Doch anders als beim letzten Mal
wurd' dieses Bad katastrophal:
Er packte noch den Knaben zwar,
doch der zu große Last ihm war.
So hat den Sohn mit letzter Kraft
er noch zum Ufer hochgeschafft -
doch schaffte er es selbst nicht mehr
und sank zum Grund des Flusses schwer."
Seine Stimme troff vor falscher Trauer, er schlug sich theatralisch an die Brust und senkte das Haupt. Dann aber deutete er wieder anklagend zu seinem Neffen:
"So war's der Stolz des Knaben hier,
der Bruder raubt' und König mir!
Durch seine schwere Schuld allein
müssen wir ohn' den Vater sein!
D'rum greift ihn euch, ich klag' ihn an,
sei's Aug' um Auge, Zahn um Zahn!"
Mit diesen Worten riss Helkos sein Schwert aus der Scheide und griff Symbanes an. Dieser beeilte sich, ebenfalls sein Schwert zu ziehen und ein heftiger Kampf entbrannte. Voller Zorn trieb Helkos seinen Neffen über die Bühne, seine heftigen Bewegungen führten sogar dazu, sodass ihm die Krone vom Kopf fiel und scheppernd davonrollte. Symbanes musste zurückweichen und parierte notdürftig die mächtigen Hiebe. Der Chor und das Orchester intonierten dazu einen unverständlichen, aber dramatischen Gesang.
Plötzlich stand Symbanes mit dem Rücken zur Kante der Bühne und auf einen weiteren Schlag seines Gegners verlor er das Gleichgewicht, ließ erschrocken das Schwert fallen und fiel ins Leere. Gerade noch gelang es ihm, sich mit den Armen an der Kante abzufangen, sodass er schließlich hilflos dort hing. Helkos lachte hysterisch auf.
"Hab' ich dich! Ich hab's erreicht,
dass der Sohn dem Vater gleicht!
Einst blickt' Muphases, wie du hier,
armselig aus der Flut zu mir!
Wie leicht es war, ich stieß ihn weg
und bracht' den König selbst zur Streck'.
Einst tötet' ich den Vater schon -
und heute töte ich den Sohn!"
Mit diesen zunächst triumphierenden, dann immer hasserfüllteren Worten holte Helkos mit seinem Schwert aus, hielt jedoch inne, als Symbanes sich plötzlich hochzog und auf seine Arme stützte. Trotzig blickte der Prinz hinauf zu seinem Onkel.
"Mörder! Ihr hört's aus seinem Mund:
Mein Vater starb durch diesen Hund!
Doch schwör' ich: Niemals wird es sein,
dass du verlöschst die Linie mein!"
Mit einem Satz bekam er ein Bein über die Kante und sprang auf, im Aufstehen sein Schwert wieder ergreifend. Noch ehe der sichtlich überraschte Helkos sich versah, nahm Symbanes den Kampf wieder auf.
Nun war er derjenige, der kraftvolle Hiebe führte, während Helkos zurückwich. Und es dauerte nicht lange, da schlug ein besonders heftiger Hieb des Prinzen Helkos hinten überstürzen ließ, sodass er sein Schwert verlor und auf dem Rücken von seinem Neffen lag. Ängstlich hob er die Hände.
"Symbanes, sei doch gnädig mir,
so wie dein Vater war vor dir!"
Der Jüngling ließ sein Schwert sinken und schüttelte den Kopf.
"Welch' Keckheit, dass nach deiner Tat
du wahrlich flehst bei mir um Gnad'!
Und führst Muphases noch im Mund,
des' Tod ja ist dein's Schicksals Grund!
Kein Gott, kein König dem vergibt,
der jenen tötet, der ihn liebt!
Dem Brudermörder ist's g'nug Gnad',
wenn er ein End' wie du nun hat!"
Mit diesen Worten packte Symbanes sein Schwert mit beiden Händen und rammte es Helkos in die Brust. Dieser bäumte sich mit einem Schrei auf und eine kleine Blutfontäne schoss aus der Mundöffnung seiner Maske.
Mit einem Ruck zog der Jüngling das Schwert wieder aus der nun zusammensackenden Leiche und wischte die Klinge an dem purpurnen Mantel des Toten ab. In diesem Augenblick eilte Nala, bisher im Chor verborgen, die Treppe zur Bühne hinauf.
"Mein Herr, wir hörten Helkos' Wort
von jenem grässlich' Brudermord!
Wie froh bin ich, dass Helkos hat
bezahlt für seine Missetat,
dass nun sein Joch vorüber ist,
weil du der wahre König bist!"
Er eilte hinüber zu der Krone, die noch immer auf dem Boden lag, und brachte sie zurück zu dem noch immer schnaufenden Symbanes. Mit gravitätischer Geste setzte er sie dem Jüngling aufs Haupt.
"Heil dir, gerecht nun herrsche hier,
wie's einst dein Vater tat vor dir!"
Mit diesen Worten ergriff Nala die Hand seines Herrn und reckte sie triumphierend nach oben. Applaus brandete auf.
~~~ finis ~~~