Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Ich habe mir diesen Schritt lange und gründlich überlegt - seit einigen Wochen, sogar Monaten ist mir der Spaß am Spiel hier ziemlich geraubt, und ich muss mich immer mehr zwingen, überhaupt hier in das Forum reinzuschauen und mitzulesen - alles nicht die besten Voraussetzungen, um mit anderen zu interagieren, vor allem nicht, um kreativ und mit Freude zu spielen.


    Da nun einige seit Wochen auf mich warten (müssen), will ich euch nicht länger in der Luft hängen lassen und bitte um das Exil für alle meine derzeitig aktiven Charaktere. Es tut mir leid, aber es geht einfach nicht mehr - ich habe hier mit vielen Leuten Spaß gehabt im Spiel, den ich inzwischen nicht mehr finde, und ich denke, dass ein Ende mit Schrecken allemal besser ist als ein sich dahin schleppendes Ende, bei dem man sich nie wirklich entscheiden kann. Kontakt kann jeder mit mir halten, der es möchte, meine ICQ Nummer steht im Profil dieses Accounts - ansonsten danke ich euch für die vielen interessanten Plots, die abwechslungsreichen Stunden und hoffe, dass ihr auch weiterhin Spaß an diesem Hobby finden könnt.


    A.

    Bis nächsten Mittwoch muss ich noch absent sein - sorry an alle, die auf mich warten müssen, ich packe es momentan einfach nicht, nach stressiger Arbeit abends noch zu schreiben, ist grad etwas zuviel auf einmal. Wenigstens ist Land in Sicht, der schlimmste Mist hoffentlich nächste Woche vorüber.

    Ich nickte und stellte klar: "Ich bin Flavius Aquilius, das ist richtig." Aber kein weiteres Wort verlor ich zu Bridhes Stand - nur einen Seitenblick in ihre Richtung wagte ich, als könnte ein zu vehementes Nachforschen ihres emotionalen Zustandes alles zerbrechen. Mein Klient hingegen richtete sich im Stehen etwas auf und blickte nun deutlich gelassener vom einen zur anderen, das würde sicherlich eine Geschichte sein, die die Runde machen würde, vor allem, da Bridhes Schwangerschaft kaum zu übersehen war.

    Ich nickte meinem Klienten zu, der sich räusperte und einen unsicheren Blick in Richtung des praetors entsandte - für seinen patronus tätig zu werden, war eben schon eine andere Sache, als von diesem ein Problem gelöst zu bekommen. Wenn ich bedachte, dass dieser Schritt Bridhes Leben von Grund auf ändern würde, und damit auch das meinige bestimmen, so hätte ich ihn am liebsten zurückgehalten, an allem festgehalten, was mir bekannt war, was in Bahnen verlief, die ich beeinflussen konnte und bei denen ich wusste, was daraus werden würde, was werden konnte. Aber ich hatte mein Wort gegeben und so blieb ich stumm, starr und gefühlt stocksteif an Bridhes Seite stehen, und konzentrierte mich lieber auf das, was mein Klient zu sagen hatte.
    "Salve, praetor! Mein Name ist Manius Ticinus Marcellus, und wir sind heute hierher gekommen, um den Status dieser Frau zweifelsfrei festzuhalten. Mein patronus, Caius Flavius Aquilius, nennt sich Herr über die Sklavin Bridhe, aber ich sage, sie ist eine freie Frau und deswegen kann er nicht Herr über sie sein." Damit waren alle formellen Dinge gesagt, im Grunde war es amüsant, wie lächerlich der Rechtsakt war, der einem Sklaven die Freiheit bringen konnte, vorausgesetzt, der ehemalige Herr war einverstanden und erhob keinen Einspruch. Die dräuende Stille, die nun eintrat, in der mein Widerspruch alles zunichte machen konnte und würde, legte sich schwer lastend auf meine Schultern, aber ich schwieg beharrlich und sah nur in die Richtung des praetors, seine weiteren Worte abwartend. Glücklicherweise schien er zu jener Sparte der Amtsträger zu gehören, die effizient und sachlich ihren Dienst versahen, jene Männer, die nach und nach immer weniger zu werden schienen, und deren Stütze dem Staat mehr und mehr fehlte.

    Es sollte ein Tag werden, den weder ich noch meine Sklavin Bridhe schnell vergessen würden - denn am heutigen Tage würde sie ihre Freiheit erlangen, in einem Prozess, den man gemeinhin manumissio vindicta nannte. Ich hatte dafür extra einen meiner langjährigen Klienten mit vor Gericht einbestellt, denn er sollte die Funktion des adsertor libertatis übernehmen - desjenigen, der vor dem Gerichtsmagistraten behaupten würde, dass Bridhe frei sei, und dem ich dann, um ihr ihre Freiheit zu geben, nicht widersprechen würde. Ihre Tränen schienen getrocknet, und den Weg hierher hatten wir in einer Sänfte gemacht, waren vor der Basilica Ulpia mit meinem Klienten zusammen getroffen, jetzt musste nur noch der Magistrat Zeit für uns finden, damit die Mühlen des Gesetzes sich bewegen konnten.
    Trotz dem Wissen, dass der eigentliche Rechtsakt schnell vonstatten gehen würde, spürte ich eine gewisse Nervosität, und so hielt ich Bridhes Hand sanft fest, um ihr eine Stütze zu sein, sollte sie dessen bedürfen, denn mit ihrem dicken Bauch konnte sie sich nicht mehr so rehgleich bewegen wie noch vor einigen Monden. Wir mochten ein seltames Paar abgeben, doch das störte mich wenig. Wichtig war allein, dass sich die Dinge so ereignen würden, wie sie sich ereignen sollten, und dass sie am Ende dieses Tages eine Freigelassene sein würde. So warteten wir vor der sella curulis des praetor urbanus, dass wir vorgelassen würden, auch andere Bürger hatten Rechtsangelegenheiten zu klären, und auf eine gewisse Wartezeit war ich eingestellt.

    Einer meiner liebsten Feiertage in jedem Jahr stellte das armilustrium dar, jener Feiertag zu Ehren des Mars, an dem unserer römischen Tradition in besonderer Weise gedacht wurde:
    Jeder Salier trug ein Schild, eines der heiligen ancilia, geschmiedet in der Form einer Acht - und einer unter uns, niemand wusste, welcher es war - trug jenes besondere Schild, das einst von Mars selbst als Pfand für den Bestand des römischen Reiches hingegeben worden war, am Arm. Die Weisheit des Numa Pompilius, einem der ersten Könige Roms, hatte dieses so besondere Schild über die Jahrhunderte hinweg beschützt, denn nachdem seine Gemahlin Egeria ihm das Geheimnis des Schildes verraten hatte, hatte der Schmied Mamurius Veturius im Auftrag des Königs elf gleiche Schilde gefertigt, vom Auge nicht vom besonderen Geschenk des Mars zu unterscheiden. So wurde ein möglicher Raub und damit ein Verderben des Reiches wirkungsvoll verhindert - und nur an besonderen Tagen trugen wir, die salii Palatini, diese Schilde durch Rom, auf dass die Menschen immer an das großherzige Geschenk des Mars erinnert würden. Es war vielleicht einer der anstrengendsten Feiertage des Jahres, zumindest für jene Männer, die als Salier den gesamten Weg lang tanzen und singen würden, die Zuschauer, meist jedoch vor allem die Zuschauerinnen, hatten das Vergnügen, uns mit ihrem genauen Blick zu beobachten und sich vielleicht auch jenen auszusuchen, der ihnen am besten gefiel. Hätte es einen Feiertag gegeben, an dem halbnackte junge Frauen durch die Stadt getanzt wären, hätte ich dies jedenfalls getan.


    Wir hatten uns vor der porta unserer curia versammelt, all jene, die sich der Ehre und Verantwortung gestellt hatten, den salii Palatini anzugehören, und ich war zufrieden mit dem, was ich sah - Männer in voller Kraft und Blüte ihres Lebens, angetan mit der traditionellen Bekleidung und Bewaffnung, die insgesamt ein sehr schmuckes Bild boten, jeder an diesem frühen Morgen frisch und wach wirkend. Das würde sich im Lauf der Zeit sicher ändern, denn die Schilde wogen so einiges, der Tanz durch die Straßen war ausgesprochen anstrengend, und mit den neuen Mitgliedern, die erst vor kurzer Zeit kooptiert worden waren, hatte es einige Übungsstunden gegeben, die ihnen klar gemacht hatten, dass dies alles war, aber sicher kein Vergnügen. Aber ein wahrer Dienst war es, und solche Aufgaben bedeuteten eben auch, dass man sich anstrengen musste.
    Mir war es als magister oblegen gewesen, die Männer aufzustellen, und ich hatte dafür gesorgt, dass meine Vettern einen Innenplatz erhalten hatten - Aristides mit seinem verletzten Bein sollte sich bei den Tänzen nicht vor aller Augen blamieren müssen, und Gracchus' noch immer andauernder Sprachfehler würde aus dem Gesang für die Zuschauer nicht herauszuhören sein, wenn ihn die Männer außen übertönten.


    Das bedeutete auch, dass die beiden Neuen, die Aurelier, außen tanzen mussten, und ich hoffte, die Übung wäre genug gewesen, damit sie uns und den Göttern keine Schande machen würden - es war ein riskantes Experiment, aber ich hoffte das Beste und war mir eigentlich sicher, dass sie durchhalten würden, beide waren kräftig und jung genug, um es zu schaffen. Wenn nicht jeder Schritt perfekt war und nicht jeder Ton ohne Fehler getroffen, würde das in der Masse erfahrenerer Männer nicht auffallen.
    Abermals zog ich den anderen voran, angetan mit der archaischen roten tunica, der trabea, dem ancilium und dem einschneidigen Hiebschwert an der Seite, denn dies war die Aufgabe des magisters, er war seit jeher der Vortänzer und Vorsänger gewesen und ging den anderen sodales voraus. So mussten einst die Krieger ausgesehen haben, die aus dem beschaulichen Städtchen Rom, dieser eins so kleinen Siedlung, eine mächtige Stadt geformt hatten, und auch dieser Aspekt des armilustriums, die greifbare Erinnerung an unsere stolze Vergangenheit, gefiel mir sehr gut.


    Eine Handbewegung ließ die Männer hinter mir verstummen, ich verharrte einen Moment lang, atmete tief die klare, kühle Luft des Morgens ein und schlug dann mit dem Schwert auf meinen Schild, um den Tanz und den Gesang mit der Taktangabe zu beginnen. Metall dröhnte auf Metall, dreimal, dann antworteten mir die anderen Männer mit ihrem gesungenen Wort, und der Tanz begann. Mein Herz wurde leichter, als die vertraute Routine zu greifen begann und wir loszogen, der Stadt entgegen, die Mars schützte, und für deren Versprechen, ihn stets zu ehren, wir einstanden, dafür tanzten - im Dreischritt, das carmen saliare begleitete uns wie auch die Gewissheit, dass sicherlich auch Mars hören würde, dass wir sangen. Die Stadt wartete auf uns, das Ziel, der Aventin, schien noch endlos weit entfernt, aber in diesem Moment dachte ich nicht mehr daran, verlor meine Überlegungen im ryhtmischen Stampfen unserer Füße, im Schlagen der Schwerter auf die Schilde, in der immer wiederkehrenden Erneuerung einer Ewigkeit, deren Teil wir einmal mehr sein würden ...

    Ich musste mich wohl doch noch etwas mehr mit der Entscheidungsfindung im Senat befassen, klangen die Worte meines Patrons doch reichlich ernüchternd und trocken. Ziemlich desillusioniert sogar, als wäre der Prozess der Politik, den die patres conscripti alltäglich betreuten, die Politik weniger und nicht die vieler gemeinsam. Aber es passte zu Rom, es bestätigte einmal mehr meinen Eindruck, dass die wahren Entscheidungen an wenigen hingen, die nur direkter und weniger im Verborgenen alle anderen beeinflussten. War das wirklich die Art Leben, in der ich mich selbst zurecht finden würde? Ich war mir dessen immer unsicherer.
    „Gefällt Dir die Arbeit im Senat, patronus? Ich weiss, diese Frage ist wahrscheinlich sehr vermessen, aber man bekommt von den wenigsten Senatoren überhaupt einmal eine Einschätzung ihrer Tätigkeit, die über bloße Meinungsmache hinausgehen, sodass es sehr schwer ist, sich ein eigenes Bild zu machen und hinter die Kulissen zu blicken.“ War meine Entscheidung überhaupt schon spruchreif, mich wieder mehr der Politik zu widmen, mehr dafür zu tun, höher steigen zu wollen? Es war nicht leicht, in allen ‚vielleichts‘ überhaupt klar einen Weg zu entdecken.


    Es war mir ganz recht, dass Macer das Thema mit dem Garten aufgriff und mehr oder minder offen bekannte, dass er durchaus auf der Suche war.
    „Ach, an einem Garten hängt eine Frau doch nicht primär. Es ist ein unterstützendes Mittel, ein Blickfang, eine Möglichkeit, ihr Interesse für ein- oder zweimal zu fesseln, aber das eigentliche liegt doch darin, sie durch die eigene Persönlichkeit anzuziehen. Bringt man eine Frau zum lachen, wird sie einen deutlich weniger wegscheuchen als ohne ein Lächeln. Wichtiger als aller Tand der Welt, den man ihr schenken könnte, ist es, ihr das Gefühl zu geben, man interessiere sich wirklich für sie, selbst wenn sie von der ersten bis zur achten Stunde über Schönheitsmittel spricht – zumindest ist das meine Erfahrung bisher. Hast Du bisher überhaupt aktiv nach einer Frau gesucht? Für gewöhnlich werfen sich potentielle Ehefrauen einem nicht an den Hals, nur die, die nicht an einer Heirat interessiert sind ...“ Leicht schmunzelnd musste ich an Callista denken. Sie wäre für mich keine geeignete Ehefrau gewesen, wären wir doch allzu leicht in gegenseitigen Lastern versunken – aber Götter, was war diese Frau berauschend gewesen, wie hatte sie doch meine Sinne betört. Bei meinem oftmals eher ernst wirkenden Patron konnte ich mir eine solche Affäre irgendwie nicht vorstellen.

    Ich war nicht unfroh darüber, dass Celerina das unselige Schönheitsthema beiseite fallen ließ und ich mich einem weit angenehmeren zuwenden konnte. Mit Männern sollte man einfach auch nicht über Schönheitspflege sprechen, ich kannte keinen, der dieses Thema nicht als weibisch und unrömisch verurteilt hätte. Das konnte man einer Frau allerdings nicht erklären, denn für Frauen war diese Thematik wohl so natürlich, dass sie darüber nicht mehr nachdachten, es war ihnen schlichtweg selbstverständlich geworden.
    „Nun, vor etwa zwei Jahren wurde meine Nichte Arrecina, Aristides‘ ältestes Kind, von einem meiner Sklaven entführt – er war Germane und war in seiner Heimat von Aristides gefangen worden, war auch nie zufrieden damit, ein Sklave zu sein. Ich wusste zwar, dass er unzufrieden war, hätte aber nie vermutet, dass er tatsächlich so weit gehen würde – nunja, er entführte sie aus unserem Haus heraus, und Aristides und ich jagten den beiden nach, um sie zu befreien. Während dieser Jagd gerieten wir in ein heftiges Gewitter und ich kam vom Weg ab. Und als ich mich vollkommen verirrt hatte, wurde ich vom Wetter fieberkrank. Lapsus war es, der mich auf seinem Rücken voran trug und mich schließlich an der Küste bei einer einfachen Fischerfamilie ablud, die mich gesund pflegte. So verdanke ich meinem Hengst mein Leben, und ich werde ihm dies niemals vergessen, soviel ist sicher.“


    Ein wenig wehmütig seufzte ich, war dieses Fieber doch auch der Auslöser für so manch andere Entwicklung in meinem Leben gewesen – aber davon musste Celerina nicht unbedingt wissen. Wahrscheinlich würde sie nicht verstehen können, wieso ich dies alles nicht als schlechten Umstand werten konnte, was mir damals geschehen war, hatte sie doch in ihrem bisherigen Leben relativ behütet aufwachsen können, wohl selbst als Ehefrau ein ruhiges Leben gehabt.
    „Celerina, denke an eines, wenn Du diese villa und damit auch den Schutz unserer Familie jemals verlassen solltest: Die Flavier waren einst die mächtige Familie dieser Welt, und aus dieser Zeit haben wir sicher immer noch Feinde, die nur darauf lauern, dass einer von uns einen Fehler begeht. Auch Du wirst mit dieser Erwartung gemessen werden, sei Dir dessen sicher. Die Menschen in Rom beargwöhnen uns noch immer, und es gibt nicht nur eine der mächtigen Familien unserer Zeit, die fürchten, wir könnten zur Macht zurückkehren. Was immer Du tust, was immer Du sagst, achte darauf, dass es Dich nicht angreifbar macht für andere. Als Patrizierin und als Flavia ist es Deine Pflicht, das Wohl der Familie immer im Auge zu behalten. Wirklich frei zu tun, was man selbst will, ist hier keiner, die Erkenntnis dessen kommt bei manchen früher, bei anderen später. Spätestens jedoch zumeist dann, wenn man über seine eigenen Füße gestolpert ist und unversehens am Boden liegt. Selbst wenn Du heiratest, Du wirst immer eine Flavia sein und bleiben.“

    Wäre sie nur schön gewesen, ich hätte Antonia nie so zu schätzen gelernt, wie es in den letzten Jahren der Fall geworden war. Wir hatten gemeinsam Höhen und Tiefen durchlebt, und wahrscheinlich hätte sie für mich auch einen gewissen Reiz eingebüßt, hätte ich sie jemals tatsächlich in meinen Armen gehalten. So waren wir zu Freunden geworden, einer seltsamen Art von Freunden, aber Freunden, so gut ein Mann und eine Frau eben befreundet sein konnten. Für mich mischte sich in diese Freundschaft durchaus ein gewisses Maß Begehren, aber ich war mir auch darüber im Klaren, dass sich viel dieses Begehrens auch aus dem Wissen gründete, sie nicht haben zu können. Verbotene Früchte schmeckten eben stets süßer als jene, die man mit Leichtigkeit an Straßenecken einkaufen konnte. Mit ihr offen sprechen zu können, war ein besonderes Geschenk, und eines, das einem nur selten zuteil wurde. Selbst Gracchus konnte ich nicht alles sagen, wie ich auch ihr nicht alles sagen würde, was mich bewegte. Die dunklen Teile meines Selbst behielt ich für mich. Musste sie für mich behalten, um niemanden von mir zu stoßen.


    „Ich hätte mich auch über einiges gewundert, hättest Du eingehende Erfahrungen mit Damen gemacht, meine liebe Antonia,“ griff ich ihren Ton scherzhaft auf und schmunzelte vor mich hin. „Aber um aus meinem reichhaltigen Erfahrungsschatz Frauen betreffend die ein oder andere Begebenheit heraus zu nehmen – meine Erfahrungen haben gezeigt, dass Furien oft so viel Feuer mit sich tragen, dass man darin lichterloh brennen kann; wenn man es nur will, wenn man mit diesem Feuer auch umgehen kann. Nun gut, ich gestehe, ich habe mir auch mehr als einmal die Finger daran verbrannt, aber das war den Schmerz und das Risiko wert.“ Leise ausatmend betrachtete ich Antonia abermals, als sei sie eine besondere Art Kunstwerk. Sie konnte ich mir tatsächlich nicht schreiend und stöhnend vorstellen, auch wenn meine Phantasie die Möglichkeit dessen nicht ausschließen wollte. Es war einfach zu verlockend, doch noch darauf zu hoffen, es irgendwann zu erleben, und sei es nur, um ihr zu beweisen, dass man mit dem völligen Verzicht auf den Kopf ebenso etwas Besonderes erleben konnte. Leidenschaft und Nachdenklichkeit schlossen sich gegenseitig zumeist aus, und nur wenn man dies zu tun vermochte, erlebte man die wahren Höhen.


    „Einigen wir uns doch einfach darauf, dass ich Dir auch weiterhin so viele Komplimente machen werde, wie ich es möchte, und Du nimmst sie zumindest stillschweigend an, während Du mir doch immer wieder erklärst, dass ich übertreibe und Du viel, viel schlechter bist als die Frau, die ich Dir beschreibe.“ Ich hob den Becher prostend in ihre Richtung und erlöste sie endlich von jenem Thema, von dem ich nur zu gut wusste, dass es ihr Unbehagen bereitete. Aber ich wollte sie auch nicht über Gebühr damit quälen, schließlich war sie mir als Mensch, als Freundin lieb und teuer. Man musste es nicht übertreiben. Wir würden ohnehin früh genug wieder Scherze darüber machen, und das wusste sie so gut wie ich.
    Und einmal mehr erwies sie sich als Freundin, als Verbündete, als eine Frau, die verstand, die wusste, wie eng die Maschen dieses Fischernetzes unserer Existenz bisweilen geknüpft sein konnten, und dass man darin sehr wohl gefangen sein konnte, ohne Luft und Raum zu finden. Es bedurfte nicht einmal besonders vieler Worte, dass sie mir klar machte, wie gut sie verstand, was mich bewegte, was mich an all diesen Vorzügen unseres Lebens immer wieder zweifeln ließ; und es beruhigte mich ungleich mehr, dass es einen Menschen gab, dem ich dies hatte sagen können.


    Gracchus gegenüber behielt ich meine Einsamkeit für mich, denn ich wusste, er würde es sich ungleich mehr zu Herzen nehmen. Manches Mal schien er mir so zerbrechlich zu sein, dass ich ihn einfach nur beschützen wollte. Aber Antonia, die dies selbst durchlebt hatte, konnte ermessen, wie schmerzhaft es war, ohne Mitleid zu empfinden. Nichts hätte mich mehr beschämt als Mitleid.
    „Sage einfach nichts, Antonia, denn kein Wort wird ändern, wie es eben ist. Ich habe Dir damals, als Du unglücklich warst, meine Tür geboten, wenn es zu schrecklich werden sollte, und ich danke Dir dafür, dass Du mir die Deine anbietest, wenn ich irgendwann den Moment erreichen sollte, an dem ich nicht weiter gehen kann, ohne zu verzweifeln. Aber ich will es mit jenem Rat ebenso halten, den ich Dir damals gab, und auf bessere Zeiten hoffen. Irgendwann wird es sicherlich besser sein als es heute ist. Du wirst lachen, vor einiger Zeit habe ich wirklich geglaubt, eine Frau kennengelernt zu haben, die an meiner Seite stehen könnte wie Du es bei Gracchus tust, aber nun ist sie auf Reisen, und ich weiss nicht, ob sie zurückkehrt und wann sie zurückkehrt. Sie hat sich nicht verabschiedet, und schreibt mir auch nicht, und das ist es, was mich ein wenig ratlos zurück lässt, glaubte ich doch, sie hätte an dem Gedanken einer Ehe ebenso Gefallen gefunden. Verliebt sind wir beide nicht, denke ich, aber ...“ Ich hob leicht die Schultern und seufzte. „Es ist so einfach, eine Frau für ein Vergnügen zu finden, aber Ehen sind so schrecklich kompliziert. Warum will überhaupt irgendwer bei klarem Verstand verheiratet sein?“

    Auch ich nahm einen guten Schluck meines noch nicht ausgereiften Weines, um auf das Wohl seines Sohnes zu trinken, wohl wissend, dass mit Gracchus‘ Urteil für mich viel an diesem Wein hing. Würde er ihm nicht schmecken, wäre wohl auch mein Interesse an diesem Weingut gestorben, würde er seinen Geschmack treffen, wäre ich wohl ein umso eifrigerer Weinanbauer als zuvor. Und es geschah, er spuckte nicht sofort aus, was sich in seinem Becher befunden hatte, sondern sprach bedächtig und wohlüberlegt sein Urteil, wie es eben seine Art war und wohl immer seine Art sein würde. Seine Worte freuten mich, als er meine Einschätzung bestätigte, und so dankte ich ihm mit einem leichten, aber umso tiefer empfundenen Nicken für seinen Willen, den Wein zu probieren und ihm eine Chance zu geben.
    „Ein Jahr mindestens, da kann ich Dir nur zustimmen, vielleicht eher zwei, um sicher zu gehen – allerdings kann in diesen zwei Jahren viel geschehen. Hätte ich vorher gewusst, wie viele Entscheidungen man für ein Weingut immer wieder treffen muss, ich hätte es mir gut überlegt, ob ich es gekauft hätte. Wobei der Preis günstig war, der vorherige Besitzer hatte daran seine Freude verloren und wollte es schnell loswerden, ohne zu ahnen, was aus seinen Weinen noch werden könnte. Vielleicht hat ihm auch einfach nur die Geduld gefehlt, auf den Ertrag zu warten, ich weiss es nicht. Aber nun ist es mein Gewinn.“ Eher ein Zufall, denn in Geschäftsdingen hatte ich oft bisher mehr Glück als Verstand besessen; wenigstens hatte mir nie die Einsicht gefehlt, wovon ich überhaupt nichts verstand.


    Sachte rieb ich meinen Fuß an seiner Wade, lehnte mich bequem zurück und lächelte leicht, als er von der Vergangenheit sprach.
    „Nun, ich konnte nie glauben, dass die Götter einen Mann, der ihnen so aufopfernd und treu Dient wie Du, nicht belohnen sollten; es hat einfach ein bisschen länger gedauert, mit einem umso schöneren Effekt: Der kleine Manius ist ein so prächtiger Junge, und er macht Dich und Deine Frau glücklich, was will man sich mehr wünschen? Ihr habt es beide sehr verdient, dieses Glück zu erleben, und wenn ich mir euch so betrachte, dann scheint es mir, als hättet ihr es nun gefunden. Auch wenn es gedauert hat, man neigt doch dazu, die Dinge höher zu achten, die einem nicht sogleich in den Schoß fallen.“
    Lächelnd hielt ich inne und betrachtete meinen Liebsten für eine Weile.
    „Ach weißt Du, Manius, die Frau, die ich wegen einer Ehe fragen wollte, ist nun seit einer längeren Weile auf Reisen und eine andere will ich nicht, denn sie scheint mir die Art von Frau zu sein, mit der ich leben könnte, ohne zu verzweifelt zu sein. Solch eine Frau findet man nicht überall, und nicht jeden Tag aufs Neue. Dass ich fruchtbar bin, weiß ich – ich habe bereits ein Kind und das zweite wird bald zur Welt kommen, ich muss diese Bestätigung nicht mehr suchen. Ich will einfach nur versuchen, mit dieser Ehesache nichts falsch zu machen, um es nicht ewig zu bereuen, wenn es geschieht. Im Augenblick ... fällt es mir schwer, keinen Neid zu empfinden, wenn ich Dich und Marcus sehe, ich sage es Dir ehrlich. Aber deswegen überstürzt eben irgendeine Frau zu heiraten, halte ich für den falschen Weg, mit alledem umzugehen.“ Diesmal driftete mein Blick fort, denn das, was ich sagen wollte, wusste er ohnehin – dass ich den Menschen, den ich wirklich liebte, ohnehin niemals würde haben können.

    Antonias Erklärung für ihr dauerndes Widersprechen ließ mich einige Momente lang innehalten – war sie denn wirklich so gierig nach Komplimenten und der Bestätigung anderer? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen, und so lachte ich abermals auf.
    „Ach Antonia, ich kenne Dich gut genug, um zu wissen, dass Du nicht derart nach Komplimenten fischt wie ein verzweifelter Mann von Ostia, der seit langem keinen guten Fang mehr gemacht hat. So manche Frau würde dies sicher tun, aber nicht Du, Du hast derlei doch überhaupt nicht nötig.“ Wieder schob ich ihren Worten ein Kompliment nach und zumindest darin wusste ich, würde ich sie stets in Atem halten. Andere mochten darin meisterhafte Rhetoren sein, sich vor anderen zu profilieren, oder vor Gericht in einem sagenhaften Prozess Aufsehen zu erregen – aber ich zog es vor, die freudvollere Alternative zu wählen und mir und der entsprechenden Frau selbst eine kleine Freude durch die Rhetorik zu bereiten.


    „Weißt Du, welche Art Frau mich stets gelangweilt hat? Jene, die meinen Worten allzu leicht zustimmen, die niemals eine eigene Meinung äußern und mit denen man nicht diskutieren kann. Gerade das schätze ich an Dir, Du zögerst nicht, zu sagen, was Dich bewegt, was Du denkst, und das macht die Unterhaltungen mit Dir auch so interessant, dass man stets, ist die eine beendet, eine weitere führen möchte. Nichts fände ich schlimmer als ein schön anzusehendes Geschöpf, das nicht mehr vermag als dekorativ irgendwo zu stehen oder zu sitzen. Ich weiß, die meisten Männer würden es sich anders wünschen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Frauen, die am leidenschaftlichsten widersprechen, auch die leidenschaftlichsten Liebhaberinnen sind.“ Dieses Satzende garnierte ich mit einem verschmitzt-unverschämten Lächeln und nahm in provozierender Langsamkeit einen Schluck Wein. Egal, wie sie jetzt widersprechen würde, es würde nicht leicht fallen, noch irgendein Argument zu finden, ohne langweilig dazustehen. Und widersprechen würde sie beim Thema der Leidenschaft zwischen zwei Menschen sicherlich. Hoffte ich.


    Ernster werdend, als sich das Gespräch ihrem Sohn zuwandte, nickte ich. „Ich bin mir sicher, dass niemand es wagen wird, an den kleinen Manius Hand anzulegen, und wenn Du und Gracchus über ihn wachen, weiß ich ihn sicher. Sage mir, solltest Du irgendwann deswegen Hilfe brauchen. Er ist mein Neffe und so will ich auch meinen Teil für seine Sicherheit und sein Wohlbefinden beitragen, wenn das gebraucht wird.“ Beim tonlosen Klang ihrer Stimme, als sie über das Glück sprach, das ihr zuteil geworden war, und dass sie es nie zu schätzen gewusst hätte, neigte ich mich etwas zu ihr und ergriff ihre Hand, sie für einen Moment lang mit der meinen haltend, dann drückend.
    „Antonia, ich denke oft, dass einem bestimmte Dinge geschehen müssen, damit wir anderes klarer sehen, oder jenes, das folgt, anders betrachten. Ich habe es bisher nicht oft gesagt, aber jene Zeit, in der ich mich nicht entsann, wer ich war, weil mir das Fieber alle Erinnerungen geraubt hatte; in dieser Zeit, in der ich als einfacher Fischer Tag für Tag geschuftet habe, um nur ein wenig Geld zusammen zu bekommen, und um meine vermeintliche Familie zu ernähren, kannte ich nur das einfache Glück eines einfachen Menschen. Wenn das Geld gereicht hatte, mehr zu kaufen als nur Nahrung, wenn ich bei meiner vermeintlichen Frau gelegen hatte und wir einander genossen hatten, wenn ich den Sonnenaufgang gesehen habe am frühen Morgen, wenn wir Fischer hinaus gefahren sind ... in all dieser Zeit war ich oft glücklicher als jemals zuvor.


    Als meine Erinnerung zurückgekehrt war, musste ich oft daran denken, wie wenig man doch braucht, um glücklich zu sein, und wie viel Besitz und Macht einen bisweilen vollkommen unglücklich macht. Diese villa ist mir oft als ein Gefängnis erschienen, in dem ich ersticken müsste, obwohl ich jederzeit hätte gehen können ... Menschen wie Du haben es mir immer leichter gemacht, das alles zu ertragen. Auch jetzt noch. An manchen Abenden, an denen ich in meinem Bett liege und alleine einschlafen muss, vermisse ich meine Liebste von damals, auch wenn alles nur auf einer Lüge gebaut war. Es war dennoch ein Trost, ihren Atem zu hören und zu wissen, wohin man gehört.“ Ich atmete leise ein und blickte an ihr vorbei auf einen undefinierbaren Punkt der Wand, den Worten nachlauschend. Ja, an manchen Tagen war die Stille in meinem Inneren nahezu greifbar. Ich wusste genau, wie sie sich damals gefühlt haben musste.

    „Hispania war seit jeher ein Hort von seltsamen Ereignissen,“ sagte ich nachdenklich und rieb mir sinnierend mit einem Finger über das Kinn, die Stirn runzelnd. „Ich habe mich als Kind dort sehr wohl gefühlt, aber als Politiker muss diese provincia eine sehr unangenehme Pflicht sein, wenn sie einem zugeteilt wurde. So vielen Beamten wurden immer wieder Bestechlichkeit vorgeworfen, es gab dort durchaus auch Aufstände und sonstige Probleme. Sicher dürfte es von Vorteil sein, ein Auge dorthin zu werfen, selbst wenn es meine Heimat ist – manches Mal denke ich mir, es wäre am Besten, man würde einfach alle Magistrate rauswerfen und durch untadelig loyale Männer ersetzen, um ein für allemal mit diesen hoffnungslos versifften Strukturen aufzuräumen.“ Es war schon zu der Zeit, als mein Vater sich noch einigermaßen für die Lokalpolitik interessiert hatte, mitunter sehr seltsam gewesen, diversen Geschichten zu lauschen – aber heutzutage war man sich nicht mehr sicher, welchen Worten man noch trauen durften, die von Hispania berichteten. Vielleicht hätte ich von dort aus versuchen sollen, den politischen Aufstieg zu versuchen, aber letztendlich machte Rom die Politik, keine der Provinzen selbst.


    Ich winkte ab, als er sich über meine Füße lustig machte, musste aber schmunzeln – wir hatten wohl unterschiedliche Auffassungen von der Erledigung des jeweiligen Amtes, aber das war auch der Vorteil der Einjahresämter. Ein stetiger Wechsel der Amtsträger hielt alles lebendig und es gab oft genug einen neuen Arbeitsansatz, dass sich nichts zu sehr festsetzen konnte.
    „Ich besuche euch gerne zum Abendessen, keine Frage, Marcus. Weißt Du, ich wollte Prisca vor einiger Zeit fragen, ob sie meine Frau werden möchte, dann hätte ich Dich aufgesucht, aber ihre Abreise kam mir mit diesem Ansinnen deutlich zuvor. Es wird langsam auch für mich Zeit, mir eine Ehefrau zu suchen und ich will damit nicht noch fünf Jahre warten .. ich werde auf Prisca nicht ewig warten können, so leid es mir auch tut, denn sie ist mir sehr sympathisch und ich denke, wir haben uns bisher gut genug verstanden, dass die Hoffnung bestünde, wir könnten ein ganz passables Ehepaar abgeben. Ich gönne ihr ihre Reise gerne, Marcus, doch selbst der zweite Grund, sie zu heiraten, wäre durch eine Ehe zwischen Dir und Celerina erfüllt – eine engere Verbindung unserer Familien zum gegenseitigen Vorteil.“
    Ich seufzte innerlich, denn dass sie sich seit einer längeren Zeit gar nicht mehr gemeldet hatte, war mir unangenehm, ich hatte eigentlich geglaubt, wir hätten uns besser verstanden, als dass mir ihr Verwandter schließlich von ihrer Reise berichtet hätte, selbst wenn dieser Verwandte mein bester Freund war.


    Leicht winkte ich ab, die Details seines Besuchs in unserem Garten waren gänzlich unerheblich für mich, dass sie nicht gerade der Leidenschaft gefröhnt hatten, lag ohnehin auf der Hand, und irgendwelches Werben um den anderen war mir vertraut genug, dass ich es nicht unbedingt von anderen hören musste.
    „Wenn Celerina Dich heiraten möchte, Marcus, dann habe ich keine Einwände, sie ist ihr eigener Herr. Ich bin hier ihr nähester Verwandter, sollte sie es also irgendwann für nötig halten, aus Deinem Haus hierher zurück zu kehren und irgendwelche Klagen gegen ihren Ehemann zu erheben, dann werde ich derjenige sein, der an ihrer Seite stehen wird, ich werde ihr auch eine angemessene Mitgift mitgeben, weil ich nicht sicher weiss, wie weit ihre eigenen Mittel reichen, die sie von ihrer vorherigen Ehe mit sich bringt. Dass Du sie anständig behandeln sollst, muss ich Dir ja nicht sagen, dass ich mich ungern mit Dir prügeln möchte, weil sie in meinem cubiculum sitzt und heult, dass ihr Mann es nur mit Sklavinnen treibt, nicht aber mit ihr, kannst Du Dir auch denken. Also sei so gut und versuche, ihr ein guter Mann zu sein, lass Dir nicht zuviel von ihr sagen, und wir beide werden auch weiterhin sicherlich die besten Freunde sein. Sie ist natürlich herrschsüchtig und verwöhnt wie so ziemlich jede Patrizierin, und sicherlich wird sie Dir Feuer unter dem Hintern machen, wenn die Dinge nicht so laufen wie sie es sich vorstellt, aber ich denke, darin unterscheidet sie sich kaum von jeder anderen Frau. Ein duldsames Lämmchen würde Dich sicherlich genauso langweilen wie mich auch ...“


    Ich nahm noch einen Schluck Wein und schüttelte schmunzelnd dann den Kopf. „Langsam bin ich hier wirklich nur noch von Ehepaaren umgeben, wenn ich nicht schon genug Gründe hätte, eine ganze Menge Alkohol zu trinken, jetzt hätte ich sie sicherlich. Im Grunde ist die Liebe nicht das Entscheidende bei einer Eheverbindung, ich habe den Eindruck, sie macht es meist nur komplizierter, als man es sich selbst schon bereiten würde. Wenn Du mir sagst, dass Du sie ehrenhaft behandeln wirst, soll mir das vollends reichen. Sie wirkt, was Dich angeht, jedenfalls durchaus interessiert, aber verliebt erschien sie mir auch nie. Ich würde fast vermuten, sie will nun einen Gemahl, mit dem sie Aufregenderes erleben kann als mit ihrem ersten Mann, jemanden, mit dem sie Freude und Leid teilen kann, ohne sich zu langweilen oder einsam zu fühlen. Und Du .. warum willst Du sie heiraten? Was erwartest Du von einer Ehe mit ihr?“

    „Bald wird er zwei Jahre alt, der kleine Caius,“ sagte ich mit sichtlichem Stolz. Der Kleine war gesund und wohlgeraten, und seit ich ihn und seine Mutter sowie deren Vater in Sicherheit wusste, weil sie nun Sklaven hatten, die auf sie aufpassten, und mich niemand mehr mit ihrer Existenz erpressen wollte, fiel es mir leicht, mit Freude an meinen Erstgeborenen zu denken. Ich hatte nie zweifeln müssen, ob ich ihn anerkennen sollte, er war immer mein Sohn gewesen, vom ersten Augenblick an, an dem ich ihn gesehen hatte. Trotz Orestillas Lüge war er mein Sohn, gezeugt zu einer Zeit, in der ich ihr Mann gewesen war, in Liebe entstanden, in einem kleinen, aber realen Glück. Wie hätte ich verleugnen können, was wir damals gelebt hatten? Niemals. Und sein leises Lachen, wenn man ihm den Bauch kitzelte, war ein Moment des Glücks, jedes Mal, wenn ich ihn sah.
    „Ich hätte nie gedacht, dass der Kleine mir und zugleich seiner Mutter ähnlich sehen kann, ohne dass es seltsam wirkt, aber er ist wirklich ein hübsches Kind. Wenn er nicht immer auf seinen Rasseln kauen würde, wäre alles perfekt. Sein Großvater lacht sich immer schief, wenn er die Bißspuren auf der Rassel sieht.“ Ich musste für einen Moment lang grinsen, denn es war wirklich zumeist eine amüsante Szene, wenn ich zu dieser Familie kam und für ein paar Stunden den Patrizier abstreifen konnte, die Verantwortung vor der Tür warten musste und wir, als wären wir wirklich noch eine Familie, gemeinsam den Göttern opferten. Vielleicht würde der kleine Caius eines Tages Priester werden wollen, wie ich einer war. Noch etwas umwölkt von der Freude, die mir mein Sohn bereitete, richtete ich den Blick wieder zu der jungen Frau, und mein Lächeln wurde ein wenig breiter.


    „Verzeih, ich will Dich nicht mit meinen Kindergeschichten langweilen. Wahrscheinlich fangen alle Väter an, von ihren Kindern zu schwärmen, wenn man das Gefühl hat, dass sie gut geraten. Aber Deine Meinung, dass Eltern nichts falsch machen könnten, vermag ich nicht zu teilen. Denn Eltern können ein Kind mit der falschen Erziehung ziemlich verkorksen. Bei meinen eigenen bin ich mir nicht einmal sicher, ob sie jemals ein brauchbares Erziehungskonzept hatten, was mich anging – sie waren zumeist sehr damit beschäftigt, sich zu streiten, da bleibt für ein Kind nicht viel Zeit.“ Wieder musste ich schmunzeln, dann schüttelte ich den Kopf.
    „Aber ich will nicht lamentieren. Wenn man es ernsthaft versucht, aus seinem Kind einen brauchbaren Menschen zu machen, ist es sicher nicht allzu verkehrt. Genügend Eltern machen sich die Sache auch leicht und schieben ihren Nachwuchs zu irgendwelchen Sklaven ab, davon halte ich nicht viel. Zumindest Zeit sollte man für die Kinder schon haben, auch wenn man nicht den ganzen Tag mit ihnen spielt.“ Womit ich mich, ohne es zu wollen, als jemand verraten hatte, der mehr Geld besaß als der Durchschnittsrömer – die wenigsten Einwohner der subura konnten sich Sklaven für ihre Kinder leisten, die meisten konnten sich nicht einmal Kinder leisten.
    „Wünscht Du Dir denn Kinder und Familie? An manchen Tagen denke ich, die jungen Frauen in Rom seien inzwischen so erschreckend modern geworden, dass die alten Werte nicht mehr interessant genug sind. Das Leben als matrona stelle ich mir sehr anstrengend vor, gleichzeitig den Haushalt und die Kinder im Blick zu behalten dürfte recht viel Geduld und noch mehr Organisationstalent erfordern. Ich würde darin wahrscheinlich ziemlich versagen.“ Geschweige denn darin, mir die passende modische Kleidung zu besorgen, denn dafür musste man gern einkaufen gehen.


    „Geh nur voraus, ich kenne diese Gegend nicht besonders gut,“ sagte ich und folgte ihr, als wir unseren Weg zwischen den einzelnen Marktständen und kleinen Lädchen wieder aufnahmen. „Aber ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, als Namenloser mit einer Namenlosen unterwegs zu sein, hat zwar seinen Reiz, aber höflich ist es nicht – nenn‘ mich ruhig Aquilius.“ Wie sie wohl hieß? Für eine Messalina war sie zu natürlich, eine Helena war sie sicher auch nicht, denn dafür erschien sie mir zu offen und zu freundlich, und für eine Iulia (gemessen an der Tochter des Augustus) nicht liederlich und durchtrieben genug. Außerdem wollte ich jetzt nicht unbedingt den Flavier auspacken, ein mit Geschichte und Vorstellungen zu reichlich überfrachteter Name, der meistens die falschen Erwartungen weckte. Und wir hatten nicht überall nur Freunde. Man musste ein wenig vorsichtig sein. „Aber sage mir, womit verbringst Du für gewöhnlich Deine Zeit? Ich habe mir heute frei genommen, aber ich denke, diesen Luxus kann sich nicht jeder leisten, ein hübsches Gesicht wie das Deines dürfte auffallen, wenn Du an einem bestimmten Ort zur vereinbarten Zeit nicht erscheinst.“ Dass ich ein bisschen schäkerte, war mehr eine alte Gewohnheit denn unbedingtes Verführen-Wollen, ich erwartete auch im Moment nicht ernsthaft, dass sie darauf eingehen würde.

    „Die Politik ist seit jeher ein sehr wirkungsvoller Gradmesser für den Charakter eines Menschen gewesen,“ sagte ich sinnierend, während wir uns auf den Brunnen zu bewegten, in dessen Mitte eine wohlgestalte Statue der Venus angebracht war, um deren angenehm geformte Gestalt sich dekorativ ein flatterndes Laken schmiegte.
    „Wenn ich mir überlege, wie unterschiedlich alleine in unserer Familie die Meinungen zu bestimmten Themen ausfallen, will ich mir nicht vorstellen, wie es erst im Senat selbst zugehen muss, dessen Mitglieder eine deutlich größere Anzahl aufweisen.“ Andererseits, zum größten Teil älteren und rechthaberischen Männern zuhören zu müssen, während sie über irgendwelche Details eines unwichtigen Gesetzes diskutierten, hatte für mich auch nichts besonders anziehendes an sich. Ob mir dieser Weg in Zukunft wirklich bestimmt war? Manchmal zweifelte ich doch ganz gewaltig daran, auch wenn ich mich dem langsam annäherte. Andere mochten diese Zweifel ebenso hegen, aber die wenigsten der Männer meines Alters, die sich in der Politik engagierten, wirkten, als hätten sie jemals Zweifel gehabt.
    Die Frage meines Patrons riss mich wieder aus meinen Gedanken.


    „Nun, meine Schwägerin Antonia mag beispielsweise diesen Brunnen sehr gern, meine Nichte Celerina bevorzugt die Ecke des Gartens, in der die meisten Rosenbüsche stehen – meine verstorbene Nichte Arrecina war vom Garten selbst begeistert genug, und hat sich hier generell gerne aufgehalten. Ich schätze, die Gestaltungsideen meines Verwandten Flavius Felix finden beim weiblichen Geschlecht so oder so Anklang, ich habe bisher keine Frau in diesem Haus erlebt, die den Garten nicht gemocht hätte. Wahrscheinlich braucht man einfach einen Garten anstatt einer wohlgestalten Figur, um eine Frau für sich zu gewinnen.“ Wenigstens mein Patron war noch unverheiratet, langsam sah ich mich von Verlobten und Verheirateten nahezu umzingelt, und es tat gut, in der Gesellschaft eines Mannes zu sein, der es offensichtlich damit genauso wenig eilig hatte wie ich selbst. „Ich habe derzeit das Gefühl, dass alle um mich herum sesshaft werden – sage mir, patronus, lässt Du mich auch bald im Stich und zu einem einsamen Junggesellen werden?“ Es war scherzhaft gemeint, aber ehrliche Neugierde steckte auch dahinter.

    Ihr Seufzen ließ mich leise auflachen, dann hob ich abwehrend die Hände. „Ach, Antonia, ich wünschte, Du könntest Dich endlich auch einmal mit meinen Augen sehen, damit Du nicht immer eine gar so schlechte Meinung von Dir hättest. Und glaube mir, ich mache einer Frau selten ein Kompliment, das sie nicht verdient hat, gerade Du, die Du Gracchus‘ Haushalt führst, seinen Erben liebevoll umsorgst und in allem ein Bild der römischen Frau darstellst, wie sie uns von unseren Müttern als ideale Ehefrau angepriesen wurdest, verdienst es, dies auch zu hören, auch wenn Du es noch so wenig hören willst. Wahrscheinlich muss ich Dich einfach so oft loben, bis Du mir endlich einmal glaubst und mir nicht dauernd aufs Neue widersprichst.“
    Ich zwinkerte ihr leicht zu und beließ es dann dabei. Sie war schon immer hart mit sich ins Gericht gegangen, umso härter, je vollkommener sie zu werden schien. Vielleicht war es auch genau das, was sie stetig an sich arbeiten ließ, ihre eigene Meinung von sich selbst, die wohl nicht allzu positiv war. Gegen sich selbst anzukämpfen war doch stets die größte Herausforderung. Einen Schluck Wein später lauschte ich ihrer Schilderung des Ehelebens und wieder einmal ertappte ich mich dabei, dass ich sowohl Gracchus als auch Antonia um dies beneidete, was die beiden miteinander teilten. Gracchus darum, dass er eine Frau hatte, die ihm in allem den Rücken frei hielt, ihn unterstützte, wo sie nur konnte, zudem klug und nicht eingebildet war, Antonia darum, ihr Leben mit dem Menschen teilen zu dürfen, den ich liebte, den ich schon viele Jahre geliebt hatte, bevor sie in sein Leben getreten war.


    „Mit einem Flavier kauft man sich in einer Ehe aber auch immer einen Menschen, der niemals einfach sein wird. Wir sind nun einmal keine allzu pflegeleichte Familie, und das wird immer so sein. Die Dunkelheit, die in unserem Inneren lebt, lernt man mit den Jahren zu bezähmen oder damit umzugehen, aber dennoch wird sie stets vorhanden sein und man wird immer damit leben müssen; sie wird auf die düstersten Stunden unseres Lebens lauern, um uns dann in eben jenen Augenblicken zu überfallen und den größtmöglichen Schaden anzurichten. Dein Sohn ist zur Hälfte Flavier, vielleicht wird er unter dieser Düsternis niemals leiden, ich hoffe es wirklich für euch alle – aber bitte achte sorgsam darauf, dass er viele Gründe hat, fröhlich zu leben.“
    Es waren düstere Worte, zu düster, sie wollten nicht zu ihrer Selbsteinschätzung der Ehe passen, die sie mit Gracchus nun zu führen schien, aber einer musste sie auch aussprechen, und ich war mir sicher, dass mein Geliebter diese Worte niemals in einer so klaren Weise formuliert hätte, hieße es doch auch, einen Makel an unserer Familie zuzugeben.
    „Ich bin froh darum, dass ihr beide offensichtlich zueinander gefunden habt und dass Du glücklich geworden bist, Antonia, es war sehr traurig zu sehen, wie sehr Du Dich gequält hast all die Monate, in denen Du hier im Haus gelebt hast. Du weißt, ich hätte Dir gerne geholfen, aber nicht bei allem kann man so zur Seite stehen, wie man das gerne würde. Manches muss auch einfach mit der Zeit sich wandeln und reifen.“

    „Manchmal scheint es nicht zu genügen, die Wahrheit zu sahen,“ sagte ich in freundlichem Ton zu der jungen Frau. „Vor allem nicht, wenn es darum geht, dass jemand die Tatsachen nicht sehen will, oder sich weigert, andere Möglichkeiten anzuerkennen. Gegen einen solchen Willen ist nicht leicht anzukommen, und Du hast nichts falsch gemacht in dieser Sache. Dieser Händler wollte Dich schuldig sehen, und alles andere war für ihn nicht mehr von Bedeutung. Ich bin froh, dass sich alles nun doch aufgeklärt hat.“ Wenngleich dies weniger meinem kriminalistischen Scharfsinn, sondern eher dem Namen ihres Cousins zu verdanken war, aber das machte keinen allzu großen Unterschied für den Erfolg. Das Thema war nun zumindest für mich erledigt, und der Händler wirkte auch nicht so, als wolle er noch irgendeine Anklage zu erheben, sein missmutiger Blick sagte alles. Ohne Einschreiten hätte er wohl versucht, Caecilia Calena zu erpressen oder ihr Geld abzuluchsen, nur weil er zu Anfang der Stärkere gewesen war.


    Leiser nun fuhr ich fort: „Versuche das alles einfach zu vergessen, wenn Du kannst, und komme nicht wieder zu diesem Teil des Marktes, zumindest nicht in den nächsten Tagen, ohne einen starken Sklaven bei Dir zu haben, der Dir diese Ratten vom Hals halten kann, versprichst Du mir das?“ Ich lächelte etwas und warf danach einen finsteren Blick in die Richtung des Händlers. Er würde in den nächsten Tagen noch einen Besuch bekommen, den er nicht vergessen würde. Einen Flavier beleidigte man nicht ungestraft, soviel war ich allein schon unserer Familienehre schuldig.


    „Dein Dank genügt mir vollkommen, Caecilia Calena. Es ist doch selbstverständlich, dort zu helfen, wo es vonnöten ist, und ich mag Betrüger nicht, die sich versuchen, an Unschuldigen zu bereichern. Unser Volk ist dadurch groß geworden, dass die Bürger füreinander einstanden, und nicht dadurch, dass man sich gegenseitig versucht hat auszunehmen,“ flocht ich einige politische Phrasen vor mir her und überlegte, wie ich mich nun aus der ganzen Sache herausziehen konnte. Immerhin war sie eine Verwandte eines Mannes, dem ich einiges weder verzeihen konnte noch wollte, und dies konnte auch das reizende Lächeln seiner Cousine nicht vergessen machen. Noch heute kochte mir ein leiser Zorn im Inneren empor, wenn ich nur an Caecilius Crassus dachte, und den meisten Männern meiner Familie ging es nicht viel anders.


    „Lass uns einfach einige Schritte gehen. Ich werde Dich noch ein Stück Deines Weges begleiten, wenn Du möchtest, damit dieser Kerl nicht auf dumme Gedanken kommt, und dann hast Du hoffentlich die Gelegenheit, die Einkäufe, die Dich hierher geführt haben, in Ruhe und ohne weitere Störungen weiterzuführen.“ Eine Frau, die nicht mit dem Ziel, etwas zu kaufen, auf den Markt ging, konnte ich mir schlichtweg nicht vorstellen, dafür hatten mich die Frauen meiner Familie genug schockiert, gerade in ihrem unendlich scheinenden Vergnügen, sich stundenlang Stoffe anzusehen, die für mich irgendwie gleich wirkten und doch angeblich sehr verschieden sein sollten. Aber das gehörte zu den Dingen, die ein Mann wohl niemals wirklich verstehen konnte und würde.


    Ich machte eine einladende Geste in Richtung des Restmarktes und hörte noch die Bemerkungen des Händlers, was mich nur den Kopf schütteln ließ. „Nicht jeder hätte einen solch großen Aufstand gemacht, damit die Schuld einer Frau bewiesen würde, ohne zu sehen, welche Möglichkeiten es sonst noch gibt – Du kannst Dir sicher sein, dass mir ein Verhalten, das sich in dieser Weise wiederholt, zu Ohren kommen wird, und spätestens dann wird die Marktaufsicht von Deinem Verhalten erfahren.“ Es waren klare, kalt gesprochene Worte, die keinen Zweifel zuließen, dass er nun wirklich knapp davor war, sich seine Existenz zu zerstören, wenn er nicht endlich Ruhe gab – und dieses eine Mal schien ein Rest Verstand die Handlungen des Händlers zu bestimmen, denn er hielt seinen Mund und starrte mich nur wütend an. Ich gönnte mir den weitaus erfreulicheren Anblick Calenas und lächelte sie deutlich freundlicher an, abwartend, was sie nun tun wollte.

    Kein Problem, deswegen auch der dedizierte Hinweis. Zen Garden ist sehr, sehr bekannt bei Leuten, die sich mit Grafikdesign auf CSS Basis beschäftigen, und soweit ich es mitbekommen habe, auch nicht gerade nett, wenn man die Sets ohne Einverständnis benutzt - an so etwas sollte ein Projekt nicht scheitern müssen.