"Viele sind faul auf Kosten anderer," sagte Straton knapp, und es war den Worten durchaus anzuhören, dass er wenig Freude dabei empfand, dies festzustellen. Nicht zuletzt, weil das Leben als Sklave bedeutete, täglich zu arbeiten und nicht darin nachzulassen, konnte er nur wenig Verständnis für jene aufbringen, die es sich damit leicht machten, die sportulae ihrer patroni einzusammeln, kostenlos Getreide und Brot zu bekommen und die restliche Zeit bei den Spielen zu vertrödeln, bei öffentlichen Theatervorstellungen oder eben in den Thermen.
"Aber das wirst Du sicherlich mit der Zeit noch erfahren, dass die wenigsten gerne tätig sind, und die Disziplin, sich beschäftigt zu halten, wenn man nicht muss, nicht allzu weit verbreitet ist." Gerade unter Patriziern mit einem reichen Erbe geschah es immer wieder, dass man wenig tat, weil man sich über nichts Gedanken machen musste und auch nicht nach einem Amt strebte - wenigstens schien sein Herr endlich begriffen zu haben, dass man nicht sein ganzes Leben mit Frauen und Wein vertändeln konnte, wenn man sich noch mit Achtung im Spiegel betrachten wollte. Für eine Weile verstummt, steuerte er gegen die entgegenkommenden Menschen an, immer darauf achtend, dass Siv auch mitkam, deren Vorsicht in der Menge fast etwas anrührendes hatte. Schweigend hielt er immer wieder inne, damit sie aufholen konnte, und die kleine Karawane an tragenden Sklaven ebenfalls, welche die erworbenen Genüsse sicher zur villa zu tragen hatten.
"Ich denke, die Natur sollte ihren Nutzen für den Menschen besitzen, immerhin entwickelt er sie auch weiter. Getreidesorten, die besser wachsen, züchten wir, ebenso kräftigere Rinder und wollreichere Schafe - würde der Mensch diese nicht brauchen, wären solche Entwicklungen wohl nur durch Zufall entstanden, wenn überhaupt. Letztendlich ist der Mensch sicherlich ein Teil der Natur, und sollte auch auf ihr Gedeihen achten, aber die Natur ist auch Teil des Lebens eines Menschen - und muss ihren Nutzen besitzen, sonst könnte man auch darauf verzichten. Niemand kann ernährt werden, wenn etwas einfach nur schön aussieht," fasste der Achaier seine Gedanken zusammen, als sie endlich die größte Ansammlung an einkaufswilligen Bürgern verlassen hatten, und im Gespräch über die unterschiedlichen Ansichten der Natur und ihres Nutzens verflog der Heimweg der beiden Sklaven samt Anhang erstaunlich schnell - bis sich die Wege der Träger und von Siv samt Straton trennten, da die villa Aurelia noch ein Stück des Weges von der villa Flavia entfernt lag.
Er selbst hatte sich lange nicht mehr so gut unterhalten, selbst mit einer Frau, die das lateinische so ungenügend beherrschte wie Siv, war das Gespräch anregend und interessant gewesen, dafür hatten sie auch einfach zu verschiedene Standpunkte - und als er sie schließlich an der porta der villa Aurelia abgeliefert und sich von ihr verabschiedet hatte, empfand er ein gewisses Bedauern über diesen Umstand. Aber vielleicht würden sie sich irgendwann wieder einmal so unterhalten können, immerhin war sein Herr mit ihrem Herrn befreundet ...
* ~ * finis * ~ *