Germanen

Aus Theoria Romana
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Als Germanen bezeichneten die Römer gemeinhin die Bewohner der Gebiete östlich und nördlich von Rhenus und Danuvius und westlich der Weichsel. Dabei handelte es sich allerdings um eine Fremdbezeichnung - die Germanen selbst verstanden sich selbst nicht als Volksgruppe, sondern rechneten sich ihrem jeweiligen Stamm zu. Erst von Poseidonius und später von Caesar wurde der Begriff Germani popularisiert und damit zur gebräuchlichen Bezeichnung dieser Volksgruppen im Imperium Romanum.

Auf solche Fremdbeschreibungen, vor allem bei Caesar und Tacitus ist auch die Forschung angewiesen, da die germanischen Stämme selbst sich keiner Schrift bedienten. Da die römischen und griechischen Schriftsteller aber häufig eher Stereotype bedienten bzw. ihre Beschreibungen als Spiegel für ihre eigenen Gesellschaften konstruierten, bleibt vieles unklar, zumal es sich bei den Germanen um zahlreiche, zum Teil recht unterschiedliche Stämme handelte, die nur schwer pauschal beschrieben werden können.

Germanische Stämme

Diese Stämme (lat. civitas, gens, natio) bestimmten den kulturellen Kontext des Einzelnen. Dies lässt sich auch archäologisch fassen, wobei in der modernen Forschung wieder kulturelle Großgruppen aus den Stämmen gebildet werden: die Nordseegermanen siedelten an der Nordseeküste (sie bildeten im 3. Jahrhundert den Großstamm der Sachsen), östlich davon lebten die Rhein-Weser-Germanen (aus ihnen bildeten sich später die Franken), östlich von beiden die Elbgermanen (Sweben), die sehr expansiv waren und sich später zu den Alemannen entwickelten, auf der jütischen Halbinsel die Nordgermanen und östlich der Elbgermanen die Ostgermanen.

Primär handelte es sich bei den Stämmen um Siedlungsgemeinschaften, die in einem bestimmten Territorium lebten, was allerdings nicht ausschloss, dass bestimmte Gebiete - vor allem solche, in denen es zu Wanderungsbewegungen kam - von mehreren Stämmen besiedelt wurden. Auch die teilweise überlieferten Teilstämme, die Gaue (lat. pagus) scheinen derartige Siedlungsgemeinschaften gewesen zu sein. Jeder Stamm besaß eine einheitliche politische Führung (z. B. einen Stammeskönig, evtl. aber auch eine Aristokratie o. ä.), bildete vermutlich auch eine Rechts- und Kultgemeinschaft. Eng mit letzterem verbunden war auch der häufig auftretende Mythos eines gemeinsamen Urahns, den die Angehörigen des Stammes teilten. Dass es sich dabei allerdings nur um einen Mythos handelte, lässt sich daran erkennen, dass die einzelnen Stämme ständigen Wandlungsprozessen unterlagen: Manche Stämme verschwanden einfach, teilweise verbanden sich mehrere zu neuen Stämmen oder teilten sich, schlossen sich bestehenden Stämmen an etc.

Gesellschaft

Die Germanen lebten in Dörfern und verstreuten Einzelgehöften. Der Einzelne war dort fest eingebunden in einen patriarchal strukturierten Sippenverband. Die freien und wehrfähigen Männer bildeten als übergreifende Organisation den Thing, auf dem Entscheidungen getroffen und Rechtsstreitigkeiten beraten wurden. Über diese Versammlung präsidierten Häuptlinge aus dem lokalen Adel, teilweise standen schließlich Könige wie Arminius oder Marbod an der Spitze ganzer Stämme oder Stämmeföderationen.

Auch diese gehörten zum Adel, der sich durch Reichtum, vor allem aber durch bestimmte Rechte und Pflichten auszeichnete. So führten sich adlige Sippen oftmals auf Götter zurück, um ihre herausgehobene Stellung und das "Heil" ihrer Familie zu legitimieren. Aus diesem Grund übernahmen sie auch häufig sakrale Aufgaben. Sie stellten aber auch Anführer wie die Häuptlinge und bereiteten den Thing vor, indem sie die Themen vorher berieten. Schließlich hatten sie als einzige das Recht, sich Gefolgschaften anzulegen. Junge Männer dienten in solchen Gefolgschaften einem einzelnen Adligen, standen dafür aber auch unter dessen Schutz (munt), was den Adligen zur Versorgung und Verteidigung seiner Muntlinge zwang. Dies sorgte dafür, dass viele Adlige mit ihren Gefolgschaften Raubzüge und Kriege unternahmen, um mit Gewalt an die dafür notwendigen Güter zu gelangen.

Sozial unter dem Adel standen die Freien, die das Recht zum Tragen von Waffen besaßen und am Thing teilnahmen. Auch für sie stellte die eigene Sippe den zentralen Bezugspunkt dar, da diese als einzige die Wahrung ihrer Rechte und den Erhalt ihrer Position garantierten (z. B. indem sie Rechtsbrüche rächten oder mit Täter eine Entschädigung aushandelten).

Ganz unten standen schließlich die Unfreien (althd. schalk). Sie waren theoretisch nicht zu Besitz, dem Eingehen einer rechtmäßigen Ehe und zum Tragen von Waffen befähigt. Vielmehr entsprach ihr Rechtsstatus dem eines Stücks Vieh. Entsprechend musste etwa auch ihr Besitzer für von ihnen verursachte Schäden haften. Dennoch genossen sie nach Tacitus einen besseren Status als römische Sklaven, da sie kaum geschlagen oder in Ketten gehalten wurden. Für ihre Herren arbeiteten sie vielmehr als Gesinde oder bewirtschafteten dessen Land auf einem separaten Hof, wofür sie Abgaben zu leisten hatten. Sie rekrutierten sich aus den Kindern von Unfreien, aber auch aus Kriegsgefangenen und Freien, die sich selbst in die Sklaverei verkauften bzw. wegen nicht bezahlter Schulden in den Besitz ihres Gläubigers gelangten.

Wurden sie freigelassen, galten sie als Halbfreie. Ähnlich wie bei den Römern geschah dies teils in öffentlichen Ritualen auf dem Thing, teils privat. Sie blieben aber meist weiter an ihre ehemaligen Besitzer gebunden und mussten etwa dessen Scholle weiterbewirtschaften oder Abgaben leisten. Zumindest genossen sie aber Freizügigkeit.

Wirtschaft

Wie fast alle vormodernen Gesellschaften basierte auch die Wirtschaft der Germanen primär auf Ackerbau und Viehzucht. Der zu bebauende Boden war dabei häufig Gemeinschaftseigentum der Sippe, obwohl auch Privateigentum bekant war. Primär wurde Gerste angebaut, daneben waren - mit regionalen Schwerpunkten - auch Weizen, Hafer, Roggen Hirse oder Bohnen (v.a. an der Nordseeküste) verbreitet. Daneben baute man offenbar auch Flachs und Gemüse an, auf Obstanbau gibt es ebenso wie auf das Sammeln von Wildfrüchten kaum Hinweise. Für den Ackerbau bediente man sich des Ritzpflugs, der kreuzweise über die Ackerfläche gezogen werden musste, dazu vereinzelt der schollenwendende Pflug und die Egge. Die meiste Arbeit musste aber mit Spaten, Hacke, Ziehharke, Sichel, Erntemesser und Sense von Menschenhand verrichtet werden. In der römischen Wahrnehmung dominierte allerdings ohnehin die Viehzucht, wo das Rind als Zugtier und Fleischlieferant dominierte. Regional kamen auch Schweine, Ziegen, Schafe, Pferde und Geflügel hinzu. Wild lässt sich wiederum kaum archäologisch nachweisen.

Neben der Landwirtschaft betrieben die Germanen zur Selbstversorgung aber auch Handwerk: Dinge des alltäglichen Gebrauchs wurden dabei vor allem selbst hergestellt: Frauen spannen und webten, Männer gerbten Leder, verarbeiteten Metalle oder töpferten meist neben ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit. Da die einzelnen Siedlungen weitgehend autark lebten, waren exportorientierte Betriebe sehr selten. Lediglich in Lysa Gora (Südpolen) ist eine Eisenverhüttung im größeren Maßstab belegt, ebenso im Thüringen eine Reihe von Töpfereibetrieben aus der jüngeren Kaiserzeit, die allerdings vermutlich mit römischem Personal arbeiteten und Gefäßkeramik exportierten. Die Grabbeigaben von Adligen, die teils etwa hochqualitative Goldschmiedearbeiten umfassten, dürften dagegen nur in sehr seltenen, spezialisierten Werkstätten angefertigt worden sein, die ihre Produkte an einen weit gestreuten Kundenkreis lieferten. Eine stärkere Entwicklung von Handel und Handwerk unterblieb dagegen, da es mangels Städten oder vergleichbarer Siedlungen an Absatz- und Verteilungszentren fehlte.

Ein interessanter Markt für germanische Händler war lediglich das römische Reich: Von dort importierten reiche Adlige Luxusartikel wie Tafelgeschirr oder Schmuck (evtl. teilweise auch Ehrengeschenke römischer Diplomaten). Dafür exportierte man Naturprodukte wie Pelze, Bernstein, blondes Frauenhaar, das für Perücken reicher Römerinnen gefragt war, und Sklaven. Im grenznahen Raum herrschte auch ein intensiverer Handel mit den Provinzialrömern, sodass dort auch Alltagsgegenstände gehandelt wurden. Von dort kam auch die Geldwirtschaft nach Germanien, die sich in der Antike allerdings in keinster Weise durchsetzte (Münzen wurden wohl wegen ihres Edelmetallgehalts primär zur Vermögensanlage aufbewahrt). Brakteaten - goldene Schmuckscheiben, die römischen Münzen nachempfunden waren - dienten lediglich als Schmuckstücke, nicht aber als Tauschmittel.

Alltagskultur

Über die germanischen Sprachen zur Zeit der römischen Besatzung ist wenig bekannt. Erst seit dem zweiten Jahrhundert, möglicherweise beeinflusst durch den Kontakt mit der lateinischen Schrift, entstanden Runenschriften, die vor allem kultischen Zwecken dienten. Längere Texte existierten dagegen erst im 4. Jahrhundert (die Bibel des germanischstämmigen Mönchs Wulfila). Es ist wohl davon auszugehen, dass die einzelnen germanischen Stämme sich untereinander verstanden, darüber hinaus lässt sich nur spekulieren. Neben dem Fehlen von Schrift fiel den Römern aber auch auf, dass die germanische Kunst relativ bildarm war. Erst im 5. Jahrhundert scheinen sich Tierornamente nach römischem Vorbild weiter verbreitet zu haben.

Als Behausungen dienten ihnen feste Wohnsitze, auch wenn immer wieder von Wanderungsbewegungen einzelner Stämme (etwa die Kimbern und Teutonen um 120 v. Chr.) oder gar größerer Gruppen (Völkerwanderung) berichtet wird. Sonst lebte man aber in Einzelgehöften oder kleinen Dörfern in Langhäusern. Diese waren aus Holz und lehmverputzten Weidengeflecht errichtet und mit einem Giebel- oder Walmdach aus Stroh oder Schindeln bedeckt. Je nach sozialem Status konnten diese Behausungen sehr groß sein, um etwa das Gefolge eines Häuptlings aufnehmen zu können. Reiche Personen saßen auf hölzernen Thronen, sonst war das Mobiliar sehr bescheiden - neben einer Feuerstelle gab es höchstens noch Tische und Hocker. Dafür lebte man aber mit seinem Vieh unter demselben Dach und profitierte im Winter von deren Wärme.

Kleidung

Das auffallendste germanische Kleidungsstück für die römischen Autoren war die Hose. Die wohl von orientalischen Reitervölkern kommende lange Hose hatte sich in Germanien nämlich wohl schon um 500 v. Chr. weitgehend durchgesetzt und war zur typischen Tracht geworden. Im Kampf stellte sie häufig auch die einzige Kleidung dar, weshalb viele Darstellungen in Rom die Germanen mit nacktem Oberkörper zeigen (etwa bei Triumphzügen). Tatsächlich trugen germanische Männer aber wohl einen Kittel und einen quadratischen Mantel, der an der rechten Schulter mit einer Fibel geschlossen wurde (diese konnte je nach Status reich verziert sein) und evtl. auch mit Brettchenwebereien oder Mustern verziert sein konnte. An den Füßen domierte der Bundschuh oder auch Schaftstiefel, der Kopf blieb zumeist unbedeckt (allerdings sind auch konische Filzmützen belegt, die bis ins Mittelalter hinein getragen wurden).

Eine wichtige Rolle spielte schließlich der Gürtel, der als Symbol von Macht und Würde galt und deshalb in hohen Ehren gehalten wurde. Da weder Kittel noch Hose Taschen besaßen, wurden hier auch Beutel, Messer etc. befestigt. Gehalten wurde er bereits von Gürtelschnallen, hinzu traten seit dem 4./5. Jahrhundert metallene Beschläge, die teils als Luxusgüter gehandelt wurden (markomannische Arbeiten galten etwa als sehr beliebt).

Die Kleidung der Frauen ähnelte dagegen eher der griechischen Tracht: Sie trugen ärmellose, lange GEwänder, die von Fibeln an beiden Schultern gehalten wurden und unter der Brust und um die Hüfte von Gürteln gerafft waren.

Religion

Über die Religion der Germanen ist wenig bekannt. Die römischen Autoren berichten häufig von Menschenopfern und einer primitiven Naturreligion mit der Verehrung von Gestirnen und dem Feuer. Tatsächlich weisen die Funde von Moorleichen darauf hin, dass es bei den germanischen Stämmen tatsächlich zu Menschenopfern kam, allerdings fanden diese wohl eher selten statt. Im Alltag scheint dagegen eher die Vorstellung eines Gleichgewichts der Welt eine wichtige Rolle gespielt zu haben, die eng mit Vorstellungen von Recht und Sitte zusammenhing und von den adligen Stammesfürsten gewahrt werden musste. Symbol des Gleichgewichts war der Lebensbaum Yggdrasil, der in der Eibe verehrt wurde. Der Einzelne hatte dieses Gleichgewicht zu wahren und vor allem zum Erhalt der Sippe beizutragen. Entsprechend galten Feigheit im Kampf, Unfruchtbarkeit und Verstöße gegen die religiöse Ordnung als Verstoß gegen dieses Gleichgewicht und Verrat an der Sippe.

Weiterhin glaubten die Germanen aber auch an ein individuelles Schicksal, das durch Göttinnen, die Nornen, symbolisiert wurde. Diese bewachten den See, der unter den Wurzeln des Lebensbaumes lag und lenkten dort die Geschicke der Menschen. Durch Wahrsagerei - etwa mit Hilfe von Runen- bzw. Orakelstäben aus dem Holz der heiligen Eibe - konnte man ihre Pläne erfahren und sich auf sein Schicksal vorbereiten.

Nach dem Tod erwartete die Germanen entweder die Unterwelt (Hel) oder, sofern sie als Krieger im Kampf gefallen waren, das Paradies (Walhalla). Ihre sterblichen Überreste wurden dagegen in Grabhügeln (Dolmen) bestattet - je nach sozialem Status mit reichen Grabbeigaben. Ihr Andenken bewahrte ihre Sippe, die den Toten auch regelmäßig opferte.

Auch ihre Gottheiten erhielten Opfer, die nach Aussage der römischen Autoren nicht in Tempeln und vor Kultbildern, sondern in heiligen Hainen dargebracht wurden. Zwar geht die heutige Forschung tatsächlich davon aus, dass Haine die bevorzugten Kultplätze der Germanen darstellten, allerdings lassen sich archäologisch auch kleinere Kultbauten und hölzerne Kultbildnisse belegen, die teils Menschengestalt besaßen.

Die Namen der germanischen Gottheiten sind allerdings für die römische Zeit kaum bekannt, da sie von den römischen Autoren gemäß der Interpretatio Romana mit römischen Namen bezeichnet wurden: So galt wohl der von den Römern Mercurius genannte Himmelsgott (Wodanaz) als höchste Gottheit. Ebenfalls große Bedeutung besaß ein Kriegsgott (Tiwaz/Mars), ein Wettergott (Thor/Iuppiter bzw. Hercules) und Fruchtbarkeitsgöttinnen (Freya/Isis). Zusätzlich existierten aber auch zahlreiche lokale Stammesgottheiten.

Mit der römischen Eroberung entwickelte sich schließlich eine Mischreligion, bei der häufig römisch-germanische Doppelnamen auf Inschriften etc. auftauchten. Ebenfalls Belege dieser Mischkultur sind Iuppitergigantensäulen, bei denen der römische Göttervater als berittene Gestalt dargestellt wurde, was wohl auf germanische oder keltische Traditionen verweist, die mit ihm verschmolzen. Ebenso breiteten sich auch der Kaiserkult und orientalische Religionen rasch aus und wurden erst im 6. und 7. Jahrhundert vom Christentum verdrängt.

Verhältnis zu Rom

Der erste bedeutende Vorstoß germanischer Stämme gegen das Römische Reich fand Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. statt, als Kimbern und Teutonen nach Süden und Südwesten vordrangen, etwa 113 v. Chr. ins Römische Reich eindrangen und in Gallia cisalpina einfielen. Mehrere Niederlagen der römischen Truppen gegen diese Invasoren prägten nachhaltig das Germanenbild in Rom: Der furor teutonicus ("teutonische Raserei") wurde zum feststehenden Begriff, der den großen Eindruck beschreibt, den die Krieger aus dem Norden bei den Legionen hinterließen. Erst 102/101 v. Chr. gelang es Gaius Marius, die beiden Stämme aus den gallischen Provinzen zu vertreiben. Um 70 v. Chr. stießen Sueben unter Ariovist über den Rhein vor und machten einige gallische Stämme tributpflichtig, siedelten sich aber auch an. Dies nahm Caesar zum Anlass, in Gallia zu intervenieren und das Territorium bis zum Rhein letztlich unter die römische Herrschaft zu bringen. Dabei konnte er den Germanenfürsten schlagen und auch zweimal (55 und 53 v. Chr.) den Rhein, um die Germanen in ihrem eigenen Gebiet zu bekämpfen, schloss teils aber auch Bündnisse mit einzelnen Stämmen und beschränkte sich bei seinen Eroberungszügen auf das linksrheinische Gebiet.

Aufgrund der Unsicherheit der Grenze blieb das Grenzland allerdings von der Provinzordnung des Augustus ausgeschlossen: Das Gebiet blieb ein Militärbezirk, die vom jeweiligen Oberkommandeur der dort stationierten Truppen verwaltet wurde. Dies übernahm 13/12 v. Chr. Nero Claudius Drusus, womit eine expansive Phase in der Germanienpolitik eingeläutet wurde: Bis 8 v. Chr. stieß der Feldherr immer wieder ins linksrheinische Gebiet vor - ob dies tatsächlich dem Ziel diente, das Reich bis an die Elbe auszudehnen, oder ob lediglich das römische Einflussgebiet ausgeweitet werden sollte, um die Rheingrenze effektiver schützen zu können, ist umstritten. Sein Nachfolger Tiberius führte diese Vorstöße 8/7 v. Chr. aber zumindest fort und ließ eine Provinzialisierung rechtsrheinischer Territorien tatsächlich in greifbare Nähe rücken.

Mit der Niederlage des Varus 9 n. Chr. gegen die Cherusker unter Arminius wurden solche Pläne allerdings endgültig zunichte gemacht. Dieses neuerliche traumatische Erlebnis mit den germanischen Stämmen führten zu einer Verstärkung der Rheingrenze: Von nun an standen hier insgesamt acht Legionen und der Militärbezirk wurde in zwei Kommandostellen geteilt - Germania superior und inferior. Dennoch unterblieben die Vorstöße ins rechtsrheinische Gebiet vorerst nicht - bis zur Abberufung des Germanicus 16 n. Chr. wurden sie fortgeführt, ehe man sich offenbar endgültig auf die Rheingrenze beschränkte, was allerdings nicht bedeutete, dass man nicht auch weiterhin versuchte, das Vorland der Grenze politisch zu kontrollieren und im Süden einige rechtsrheinische Gebiete zu besetzen, um eine bessere Verbindung zwischen der Rhein und Donau zu gewinnen.

Unter Domitian wurden die beiden Militärbezirke schließlich in Provinzen umgewandelt und die Romanisierung dieser Gebiete - vor allem durch die massive Militärpräsenz - weiter vorangetrieben. Zugleich gelangten vor allem germanische Söldner aber auch innerhalb des Reiches zu einiger Bekanntheit: Bis zur Regierungszeit Galbas stellten sie eine eigene kaiserliche Leibwache, von Trajan bis Septimius Severus stellten sie allein die Equites singulares Augusti (berittene Wache).

Um die Mitte des 2. Jahrhunderts nahm infolge von Wanderungsbewegungen innerhalb des freien Germaniens der Druck der Germanen auf die römischen Grenzen zu. Langobarden, Markomannen und Quaden fielen ins Römische Reich ein und lösten damit die langwierigen Markomannenkriege Kaiser Marc Aurels aus. In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts stießen die Alemannen über den Limes vor, und die Franken fielen vom Niederrhein aus immer wieder in Gallia ein. Mitte des 4. Jahrhunderts konnten die Römer ihre Grenze am Rhein nur mehr mühsam gegen die vordringenden Alemannen und die Franken verteidigen. Im zweiten Drittel des 3. Jahrhunderts erschienen die Goten an der unteren Donau, stießen wiederholt ins Römische Reich vor und ließen sich u. a. in Dacia nieder.

Der Vorstoß der Hunnen nach Südrussland und die Zerschlagung des Ostgotenreiches 375 verursachte unter den germanischen Stämmen umwälzende Wanderungsbewegungen, die so genannte germanische Völkerwanderung, die zum Untergang des Weströmischen Reiches und zur Herausbildung neuer, germanischer Reiche in Europa führte. Die germanische Völkerwanderung veränderte das politische Gefüge des spätantiken Europa, vor allem des Römischen Reiches, tief greifend und prägte die politische und kulturelle Struktur des frühmittelalterlichen Europa.

Germanische Stämme

Elb-Germanen

Nordsee-Germanen

Ost-Germanen

Weser-Rhein-Germanen


Quellen:
Hermann Ament: Germanen: Unterwegs zu höherer Zivilisation, in: Die Weltgeschichte, Bd. 2: Antike Welten, hrsg. v. d. Brockhaus-Redaktion 1997.
Marti, Reto: Germanen, in: Historisches Lexikon der Schweiz.
Wissen.de: Kleidung der Germanen.
Wissen.de: Die germanische Gesellschaft.
Wissen.de: Germanen
Wissen.de: Germanische Religion.

Literatur: Rainer Wiegels/Wolfgang Spickermann: Art. Germani, Germania, in: DNP.