Roma im Winter – eine Scheißidee. Serenus schimpfte ohne Unterlass auf alles und jeden. Dabei war es seine eigene Idee gewesen zu den Saturnalien seine Familie in Roma zu besuchen, wo Onkel Gracchus ihm in seiner Eigenschaft als Pontifex auf Anweisung von Oma Agrippina den Weg zum Saccerdos des Iuppiter ebnen sollte. Iuna, Mercurius oder Mars waren nur zweite Wahl, denn Iupiter war nun einmal aus Sicht von Serenus „voll angesagt“, während die anderen Götter nur „Wumpe“ waren. Um einmal den neusten Wortlaut der derzeitigen Jugendsprache im Imperium zu verwenden. Januspriester wäre auch noch eine feine Sache gewesen, aber dafür musste man angeblich schon uralt, verheiratet und Pontifex sein. Und vom Saccerdos zum Pontifex war dann nur noch eine Formsache. Dafür hatte man dann ja seine Onkels und flavischen Senatoren und deren senatorische Klüngel.
Wieso war er nur auf die Idee gekommen in den Wintermonaten von Griechenland, wo er seine momentane Ausbildung ausnahmsweise(!) zur vollsten Zufriedenheit seiner Lehrer abgeschlossen hatte, nach Italia und Roma zu reisen? Bei einem solchen Wetter reiste man nicht. Hinterher war man schlauer. Es herrschte im Zentrum der Welt eine Eiseskälte, sicher war es dreimal so kalt wie in Germania. Und es lag nicht mal Schnee.
Serenus hatte sich gegen die Kälte so gut gewappnet, wie man es nur konnte. Auf seinem Kopf trug er eine Pelzmütze aus dem Fell eines weißen Bären, der ganz weit weg in einem Land leben sollte, wo es ganzjährig nur Eis und Schnee gab. Seine Hände steckten in Wollfäustlingen aus erlesener caledonischer Schafwolle, während ein dicker Wollschal aus parthischem Mähnenschaf mit eingewebten Goldfäden seinen Hals warm hielt. Eine dicke Wolltunika schützte den Körper ausreichend, so dass er darüber eine dünne haselnussbraune Seidentunika tragen konnte. Von der man aber kaum etwas sehen konnte, denn er trug einen weiten Umhang aus dem Fell des weißen Bären, ebenso wie seine Füße in hohen weißen Fellstiefeln steckten.
Dabei war das Wetter auf Sardinia, hier besuchte Serenus den armen alten Onkel Senator Felix, noch sehr gut und angenehm warm gewesen. Er hatte sich lange mit Onkel Senator Felix unterhalten, weite Spaziergänge mit seinen Hunden gemacht, die Schätze von dessen Bibliothek entdeckt und gelesen (wer hätte gedacht, dass sein Onkel noch etliche Originalausgaben von „Sklave Gaius ist der Beste“ besaß und das wo er doch so langsam auf die Hundert Jahre zuging) und war dann mit Onkel Senator Felix Privattrimere anstelle des vierwöchigen Handelsroutenschiffes zuerst in Richtung Hispania aufgebrochen, wo er Onkel Furianus besuchen wollte.
Allerdings hatten schlechte Omen, ungünstige Winde, schwere See und ein gerissenes Segel dann eine Richtungsänderung nach Baiae bedingt. Dort hatte er erfahren, dass sich Onkel Furianus wegen seiner angegriffenen Gesundheit nach Athen verreist war. Offensichtlich war er kränker als Onkel Lucullus, der ja als Dauerkranker permanent im Sterben lag. Böse Zungen behaupteten jedoch, dass bei Onkel Furianus mehrere Frauen der Grund waren, welche seine Gesundheit ruiniert haben sollten. Was das genau bedeutete wusste Serenus jetzt nicht, aber er glaubte sich daran zu erinnern, dass Onkel Gracchus mal röchelte, sich ans Herz griff und leichenblass in seinen Sessel sackte, nachdem Tante Antonia mit Serenus auf dem Forum eingekauft hatte. Dabei hatte seine Tante doch die meiste Kleidung und Sandalen gekauft. Serenus Sachen konnten damals von nur zwei Sklaven nach Hause getragen werden. Bei Tante Antonia waren es viel mehr gewesen.
Nach einer kurzen Erholung bei Oma, dem Entladen und Verpacken aller Mitbringsel und typisch patrizischem Reisegepäck war es von dort dann mit neusten Instruktionen auf direkten Weg nach Roma gegangen.
Bis Ostia war die Reise zügig verlaufen, aber dann lief einiges schief. Wegen dem schlechtem Wetter war der Hafen von Ostia total mit Handelsschiffen überfüllt. Es dauerte bis sieben Ochsenkarren gefunden und mit dem bescheidenen Reisegepäck von Serenus beladen waren. Nur um festzustellen, dass die Strasse von Ostia nach Roma total verstopft war. Wieso waren bei so einer Kälte nur so viele Leute unterwegs? Bereits im ersten Drittel der Strecke blieben die Ochsenkarren auf der hoffnungslos überfüllten Strasse hinter der kleinen 2-Personen-Sänfte von Serenus zurück und würden langsamer nachkommen. Das Notgepäck wurde von einem Karren in die Sänfte umgeladen, Serenus stieg auf ein edles Reitpferd aus der babylonischen oder parthischen Wüste um, welches ein Geschenk für sein Vater war, und weiter ging es sich durch den Strassenverkehr schlängelnd nach Roma. Halb im Sattel eingeschlafen und als Stadt-Patrizier nicht sonderlich sattelfest (ergo: ein wund gerittener Hintern, was auch das dicke Lammfell auf dem Sattel nicht verhindern konnte), erreichte der deutlich gepäckreduzierte Reisetross die Tore der Stadt.
Wegen den anstehenden Saturnalien und irgendwelchen sonstigen Feiertagen von denen es ja andauernd welche gab herrschte hier bereits der Ausnahmezustand. Na gut, es war auch schon früher Abend und alles wollte wieder in die Stadt und nach Hause. Die Stadttore waren total verstopft. Es bedurfte eines größeren Obulus an die Stadtwachen um bevorzugt durch zu kommen, sprich sich mit eben jener Stadtwache als Führer offiziell von ganz hinten nach vorne zu drängeln.
Zu Fuß sich durch die Passanten schlängelnd, denn nur ein kompletter Idiot, ein angekündigter Triumvator oder jemand mit ganz viel Zeit würde auf die Idee kommen sich reitend durch die Strassen und Passantenströme der Stadt zu bewegen, ging es auf direktem Wege zur Villa Flavia.
Abgeschirmt durch die dick verhüllten Leibwächter und die am Zügel geführten Pferde, gefolgt von der getragenen Sänfte, erschien schon bald die Porta der Villa Flavia, welche in Kürze eine warme Unterkunft und etwas zu Essen versprach. Vor allem aber musste er ganz, ganz dringend auf die Latrine. Als Patrizier konnte er ja schlecht unterwegs mal gegen die Mauer eines Tempels oder einer anderen Villa pinkeln. Die Folgen wären fatal gewesen und als Patrizier wusste er, dass die Augen und Ohren der Acta überall waren. Wer wollte schon in Roma besungen werden mit „Der Urinist, der Urinist, dem lieben Mars an seinen Tempel pisst.“
Serenus schob sich an Mopsus, dem riesigen Muskelberg und Gladiator seiner Oma vorbei und beschleunigte seine Schritte auf ein patrizisch angemessenes Maximum, flankiert von seinen beiden Kampfhunden Nero und Domitian. Da der gute Nero so langsam in die Jahre kam und in Menschenjahre umgerechnet so alt wie Onkel Senator Felix war, also uralt, hatte er von seiner Oma einen weiteren Kampfhund bekommen. Domitian war nur unwesentlich kleiner als Nero, um einige Jahre jünger, konnte durchaus noch wachsen, war aber dunkelbraun wo Nero schwarz war.
Serenus erreichte die Porta und klopfte, während Mopsus und der Rest mit gleichbleibendem Schritt aufschlossen.
Sim-Off:Zittere Epicharis, Serenus ist wieder da!