Beiträge von Aulus Iunius Tacitus

    Die geplante Reise hatte ich gut vorbereitet. Vor allem hatte ich mich kundig gemacht, welche Waren wohl bei den Serern* und den anderen Völkern, auf die ich auf dem Weg dorthin treffen würde, gefragt waren. Die rote Koralle, wie sie vor Sardinien und Korsika wuchs, schien wohl recht beliebt zu sein. Edelmetalle waren auch beliebt, wenngleich sie ziemlich viel Gewicht mitbrachten. Interessanterweise schienen dünn gewebte Seide, in Purpur gefärbte Stoffe, sowie goldbestickte Tücher ebenfalls beliebt zu sein. Auch Zinn schien sich mit Gewinn verkaufen zu lassen. Mit diesen Waren wollte ich meine Reise finanzieren, indem ich sie unterwegs verkaufte. Den Rückweg wollte ich mit Waren bestreiten, welche ich im Land der Serer erwerben wollte.


    So entschied ich mich, eine Kamelladung Koralle, eine Kamelladung dünnen Seidentuchs, eine Kamelladung purpurn gefärbter Wolle, zwei Kamelladungen goldbestickter Tuche, wobei ich mich für florale Motive entschied, sowie eine Kamelladung mit Zinn und einige Talente Silber zu beschaffen. Außerdem hatte ich noch eine Kamelladung voll mit Tinte, Papyrusrollen und Pergament, um meine Reise schriftlich festzuhalten. Das alles hatte einen großen Teil meines Vermögens verschlungen, eigentlich fast alles. Wenn die Reise ein Erfolg werden würde, dann würde sich mein Einsatz vervielfachen. Falls nicht, könnte ich froh sein, am Ende überhaupt wieder als freier Mann in Rom anzukommen. Alles oder nichts.


    Natürlich war mir bei diesen Aussichten etwas bange, doch hatte ich mich entschieden. Ich musste es wagen. Noch war ich jung und hatte kaum Verpflichtungen. Wenn ich erst einmal älter wäre, könnte ich eine solche Reise nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren. Jetzt war der richtige Zeitpunkt.


    In einem Laden auf dem Campus Martius hatte ich mir eine Spatha gekauft, welche mich auf dieser Reise begleiten sollte. Ich hatte mir auch einen ehemaligen Gladiator, Hasdrubal, der in seiner Heimat einst Arpan hieß, als Sklaven gekauft, der mich im Kampf trainieren sollte, damit mich selbst zur Wehr setzen konnte. Zwar hatte mein Vater dafür gesorgt, dass ich trainieren musste, selbst am Museion. Doch war er damals fern gewesen und ich war am Schwertkampf nie so interessiert gewesen, wie er sich das vorgestellt hatte, wenngleich ich zumindest eine solide Grundlage im Schwertkampf erworben hatte. Für Hasdrubal hatte ich entschieden, ihn spätestens in Baktrien freizulassen. Ob das nah an seiner sarmatischen Heimat war, konnte ich nicht beurteilen. Allerdings hatte ich für ihn ein Donativum eingeplant, mit dem ich ihm hoffentlich seine Heimreise ermöglichen würde. Jedoch hatte ich ihm das noch nicht mitgeteilt und würde es auch erst dann machen, wenn ich ihn freilassen würde.


    So waren wir nun mit jeder Menge Waren an Bord der einmastigen Corbita, deren Kapitän sehr freundlich zu uns war. Das lag sicher auch an der guten Bezahlung, mit der ich den sicheren Transport von mir, meinem Sklaven und den Waren gewährleisten wollte. Ich beobachtete die Besatzung beim Lösen der Taue und verspürte zugleich Fernweh und Heimweh. Ich hoffte, dass Matidia mir verzeihen würde, dass ich sie vermutlich für einige Jahre im Stich lassen würde. Doch war ich mir sicher, dass sie sich über die Geschichten, die ich danach zu erzählen hätte, freuen würde.


    Langsam verließen wir den Hafen und ich sah mir das Gewirr der Fracht-, Militär- und Fischerboote an. Es herrschte ein frischer Wind, der uns nach dem Verlassen des Hafens schnell Fahrt aufnehmen ließ. Langsam, aber stetig, wurden die Gebäude Ostias immer kleiner, bis schließlich nur noch der hohe Leuchtturm sichtbar war. Doch auch dieser wurde immer kleiner, bis er schließlich hinter dem Horizont verschwand. Auf der Backbordseite erstreckte sich von Horizont zu Horizont die Küste Italiens mit ihren vielen kleinen Fischerdörfern und den kleinen Hafenstädtchen. Mir gefiel dieser Anblick. Doch zugleich wurde mir bewusst, dass mich die Fahrt immer weiter von meiner Heimat, Rom, wegführen würde. Weiter, als ich jemals gereist war. Vielleicht sogar weiter, als jemals ein Römer gereist war.


    In den nächsten Tagen passierten wir Misenum und ich skizzierte den Blick auf den Feuerberg, der Herculaneum, Pompeii und andere Städte mit seiner Asche verschlungen hatte. Ich fragte mich, ob man nicht einmal graben könnte, um die Toten einem richtigen Begräbnis zuzuführen, doch kam mir schon bald der Gedanke, dass sie genau so begraben waren, wie Vulcanus sich das vorgestellt hatte. Und mit einem Gott anlegen wollte ich mich nicht.


    Nach weiteren Tagen passierten wir die Südspitze Italiens und drehten nach Osten, fuhren dann entlang der griechischen Küste und machten einen Stopp in Piraeus. Diesen Stopp hätte ich gerne genutzt, um mir Athenae anzusehen. Leider gab mir der Kapitän zu verstehen, dass wir dort nur übernachteten und am nächsten Morgen weiterfahren würden. So musste ich also mit meiner Koje vorlieb nehmen und die Polis ein anderes Mal besuchen. Am nächsten Tag ging es weiter in Richtung Zypern.


    Sim-Off:

    "Seres" war der römische Begriff für Chinesen

    Ein iunischer Sklave brachte diesen Brief zur Domus Annaea:


    Ad

    Lucius Annaeus Florus Minor

    Domus Annaea

    Roma


    Mein Patron,


    ich schreibe dir diesen Brief, weil ich mich auf eine Reise begebe und die Winde günstig sind, so dass mich der Kapitän zur Abfahrt drängt. Nach seiner Meinung beginnen bald die Winterstürme und dann komme ich nicht weiter. Auf eine Verabschiedung bei der Salutatio muss ich deshalb leider verzichten.


    In Mogontiacum habe ich nun eine lange Zeit bei meiner Familie verbracht. So weit sind alle wohlauf. Auch habe ich einen Cursus Iuris abgehalten, den zwar nur zwei Teilnehmer besucht haben. Diese waren aber sehr gute Studenten. Der eine ist ein Decurio der Ala I Aquilia Singularum mit Namen Publius Matinius Sabaco. Der andere ist dein Klient Nero Aemilius Secundus. Aemilius Secundus hat meiner Meinung nach durchaus das Potential, um ein guter Jurist und irgendwann einmal Praetor zu werden. Fehlende Wissenslücken im Rechtswesen konnten im Cursus Iuris geschlossen werden. Allerdings neigt er zu recht harten Urteilen. Juristisch habe ich aber nur wenig auszusetzen gehabt.


    Nun zurück zu mir und meiner Reise. Ich bin zwar seit kurzem wieder in Rom, will aber nach Osten reisen, da ich eine kommentierte Karte fand, die den Weg bis Alexandria Eschate beschreibt. Diesen Weg werde ich gehen und noch darüber hinaus. Das Land der Serer interessiert mich, vor allem die Herkunft der Seide. Es soll mein letztes großes Forschungsprojekt werden, bevor ich mir eine Frau suche und eine Familie gründe. Sozusagen mein Meisterstück zu Ehren des Museions, Roms und der Götter. Die Gefahren sind mir bewusst, ebenso die Dauer. Persönlich rechne ich mit etwa drei Jahren.


    Sollte ich nicht zurückkehren, hat mein Verwandter Sisenna Iunius Scato alle notwendigen Weisungen erhalten.


    Nun muss ich aber dringend mein Schiff erreichen.


    Ich verabschiede mich somit bei dir und hoffe, dir nach meiner Rückkehr ein schönes Geschenk aus fernen Ländern übergeben zu können.


    Mögen die Götter über dich und deine Familie wachen.


    Vale bene


    Siegel Aulus Iunius Tacitus Advocatus

    Nachdem ich den Cursus Iuris abgeschlossen und alle Vorbereitungen für meine geplante Reise abgeschlossen hatte - zumindest jene Vorbereitungen, die ich in Mogontiacum abschließen konnte, war es an der Zeit, abzureisen. Es war schon spät im Jahr und das Wetter würde sicher nicht besser werden. Es war also an der Zeit. Natürlich hätte ich bis zum Frühjahr abwarten können, aber ich war voller Neugierde auf ferne Länder und das Fernweh hatte mich gepackt.


    Es war noch dunkel und ich war der erste Iunier, der heute auf den Beinen war. Das war geplant, weil ich kein Freund großer Abschiede war. Ich hatte meinen Verwandten eine Notiz hinterlassen, dass ich mich auf eine wichtige Reise in den Osten begeben musste. Dass mit diesem "Osten" nicht der Osten des Imperiums gemeint war, sondern Länder jenseits davon, erwähnte ich absichtlich nicht. So konnte man auch deuten, dass ich ans Museion reisen würde oder an die östlichen Küsten des Mare Nostrum. Scato kannte die Wahrheit, aber der Rest meiner Verwandten, vor allem Matidia, musste es ja nicht erfahren. Sie würde sich da nur Sorgen machen.


    So packte ich meine Sachen auf mein Pferd und verließ die Domus Iunia. Ich führte das Pferd bis zur Via Borbetomaga und folgte dann der Straße, bis es dämmerte. Ab da ritt ich. Mein Weg würde mich zunächst nach Rom führen. Dort würde ich meine Reisevorbereitungen abschließen, denn in Rom gab es alles, was ich auch nur ansatzweise brauchen würde. Von dort aus würde es weitergehen nach Osten.

    Es war wirklich nicht neu für mich, dass ich mich um mich selbst kümmern musste. Vielleicht nicht so, dass ich eine Familie gründen würde - jedenfalls noch nicht. Aber um mich selbst kümmerte ich mich bereits am Museion. Ich legte meinen Arm um ihre Schulter und drückte sie kurz.


    "Ehrlicherweise mache ich mir bei dir keine großen Gedanken. Du schaffst das, davon bin ich überzeugt. Erstens, weil du eine Iunia bist. Und zweitens, weil du du bist."


    Das war ehrlich gemeint.


    "Außerdem glaube ich, dass du die gleiche Neugierde hast, die auch ich habe, und die auch unsere Eltern hatten. Neugierde hilft, Neuem offen gegenüberzustehen. Und deine iunische Willenskraft wird dir helfen, sich an Neues anzupassen. Also, mach dir keine Gedanken. Wir werden unseren Weg machen."

    Das musste ich jetzt erst einmal verarbeiten. Matidia klang auf einmal so viel erwachsener, als ich meine kleine Schwester in Erinnerung hatte. Aber natürlich war sie jetzt auch eine junge Frau. Dennoch...


    "Also... rein juristisch gesehen haben wir beide noch Zeit. Die Lex Iulia et Papia fordert eine Eheschließung für Frauen ab dem zwanzigsten Lebensjahr und für Männer ab dem fünfundzwanzigsten."


    Gesetze gaben mir stets einen gewissen Halt, gerade wenn mich etwas überraschte, wie jetzt gerade meine Schwester.


    "Wobei du natürlich frei darin bist, einen Mann für dich zu suchen und ihn zu heiraten. Du bist sui iuris."


    Was natürlich auch nur eine juristische Feststellung war. Was mich anbetraf...


    "Für mich selbst werde ich die Frist ausnutzen, die mir das Gesetz gibt. Vielleicht sogar noch etwas mehr. Ich will erst eine Position erreichen, die mich zu einer guten Partie macht. Aber noch bin ich zu unbedeutend."

    Aufmerksam hörte ich meiner Schwester zu.


    "Die Barbaren werden sich wohl nicht über einen Besuch von neugierigen Römern freuen, nehme ich an?"


    Dann lachte ich, weil mir bewusst wurde, wie seltsam ich in einer Gegend ohne Zivilisation aussehen musste. Und wie wenige Fähigkeiten ich für ein Leben außerhalb der Zivilisation wahrscheinlich hatte.


    "Dann bleibe ich lieber auf dieser Seite des Rhenus. Ich bin ja nicht verrückt."


    Natürlich gab es auch Leute, die mich zumindest als leicht irre ansahen. Aber das verschwieg ich lieber.


    "Übrigens gibst du eine recht gute Stadtführerin ab. Und ich glaube, du hättest auch die Fähigkeit, anderen Unterricht zu erteilen. Nur so als Denkansatz."

    "Die zweite Sache ist für den Fall, dass ich in den nächsten zehn Jahren nicht zurückkehre und deshalb als tot anzusehen bin. Für diesen Fall habe ich sicherheitshalber eine Totenmaske anfertigen lassen. Kümmere dich in dem Fall darum, dass die Maske ihren Weg ins Lararium der Domus Iunia in Rom findet."


    Man merkte mir an, dass diese Planung wohlüberlegt war und mir dennoch nicht einfach fiel.


    "Und ich weiß, dass abergläubische Menschen das als schlechtes Omen ansehen würden. Das ist es aber nicht. Ich bin mir sicher, dass es im Sinne Minervas ist, vorbereitet zu sein."


    Nun zeigte ich ein sehr selbstbewusstes Lächeln.


    "Mit dieser Sicherheit, dass alles geregelt ist, kann ich meinen Verstand vollständig auf meine Reise und die Herausforderungen darin fokussieren. Das wird zum Erfolg führen. Außerdem sagen die Stoiker, dass unsere Wege vorbestimmt sind und wir nur begrenzten Einfluss haben. Also sind Erfolg oder Misserfolg der Reise bereits festgelegt."

    "Ich hoffe jedenfalls, dass es jeder vernünftig denkende Mensch irgendwann merkt."


    Natürlich implizierte das, dass nicht jeder Mensch vernünftig dachte.


    Matidias Stolz auf unsere Präsenz in Germanien freute mich, denn das würde ihr hier Halt geben. Ebenso freute es mich, dass sie hier viel lernte.


    "Man kann nie genug lernen."


    Dabei grinste ich verschmitzt.


    Zum Fluss musste ich ihr mangels Ortskenntnis folgen, aber das machte mir nichts. Im Gegenteil machte es mich stolz, dass sie sich hier gut auszukennen schien. Das zeigte, dass sie sich nicht im Domus Iunia abschottete, sondern aktiv die Stadt erkundete und dabei hoffentlich auch neue Menschen kennenlernte. Nur wenig war schlimmer als ungewollte Einsamkeit.


    Der Weg zum Ufer war kürzer, als ich dachte. Die Stadt war wirklich nicht allzu groß. Ich blickte über den Rhenus, der sich weit vor mir erstreckte. Zu meiner Linken sah ich die lange Brücke, die Mogontiacum mit der anderen Seite verband. Etwas dahinter, auf höherem Ufer, stand ein Castellum, soweit ich das erkennen konnte.


    "Die Brücke ist beeindruckend. Ich kann mir vorstellen, dass der Rhenus bei Hochwasser eine Herausforderung für das Bauwerk darstellt. Das ist sehr gute Ingenieurskunst."


    Den Stolz auf die römischen Ingenieure konnte man aus meiner Stimme heraushören. Dann zeigte ich auf einen Punkt etwas weiter das Ufer hinauf.


    "Das Castellum dort sichert die Brücke, damit wir hier keinen unliebsamen Besuch der Barbaren bekommen, nehme ich an? Hat es einen Namen?"


    Und dann schweifte mein Blick südwärts, über Sümpfe hinweg, bis ich bei einer Mündung verweilte.


    "Das dort ist der Moenus, oder?"

    "Das freut mich zu hören. Tüchtige Soldaten in den Grenzprovinzen sind überlebenswichtig für das Imperium. Schließlich verteidigen sie nicht nur die Grenzen, sie bauen auch Straßen, Aquädukte, öffentliche Gebäude und vieles mehr. Sie kommen ins Barbaricum und erschaffen Zivilisation. Die Zivilisation ist es, die den Barbaren die Lust auf Aufstände vergehen lässt. Man ist vielleicht nicht immer mit unserer Herrschaft einverstanden, aber auf fließendes Wasser, Thermen, Theater und all die anderen Annehmlichkeiten möchte man nicht verzichten. Der Kompromiss ist klar. Man akzeptiert die römische Herrschaft und hat dafür ein gutes Leben. Und man kann ja auch versuchen, das Bürgerrecht zu erlangen."


    Ja, ich war überzeugt von der Anziehungskraft der römischen Zivilisation.


    "Natürlich gibt es immer auch ein paar Uneinsichtige. Aber die Mehrheit fügt sich schon alleine wegen der zivilisatorischen Errungenschaften. Oder wie du es sagst: Man kann es hier aushalten."


    Dabei lächelte ich fröhlich, während ich die Basilica wieder verließ.


    "Wollen wir zum Fluss gehen?"

    "Rom ist besonders. Es gibt keinen zweiten Ort, der so ist."


    Gut, das traf auf fast jeden Ort zu.


    "Was ich meine, ist, dass Rom die zivilisierteste Stadt der Welt ist. Die Hauptstadt der Welt. Die Stadt, die ewig sein wird. Aber deshalb sollten wir nicht vergessen, auch das zu schätzen, was uns die Welt sonst noch bietet. Die Welt ist voller Wunder. Manche sind offensichtlich, andere muss man suchen. Vielleicht hast du die Wunder Mogontiacums noch nicht gefunden?"


    Dabei lächelte ich sie aufmunternd an, während wir in den Eingangsbereich der Basilica betraten. Ich wollte nur einen Blick in das Gebäude erhaschen, so dass ich keine Anstalten machte, weiter hineinzugehen.

    "Das klingt doch interessant. Das habe ich Ägypten auch gesehen. Dort wurde mit Serapis ein Gott verehrt, der sowohl hellenistisch, als auch ägyptisch war. Mit diesem Gott wurden beide Welten vereint und die Ägypter haben sich der Herrschaft der Griechen und dann unserer Herrschaft gefügt. Und letztlich weiß ja auch niemand, wie genau die Götter aussehen. Sie können sich nach Belieben verwandeln. Deshalb kann es durchaus sein, dass sie hier ihre Form anpassen und in einer Form erscheinen, die den Barbaren vertrauter ist, damit Frieden herrscht."


    Ob das stimmte, konnte ich nicht sagen.


    "Ich bin natürlich kein Pontifex, sondern nur ein einfacher Philosoph. Aber es erscheint mir logisch."


    Natürlich waren die Götter nicht immer logisch, aber zumindest bei Minerva konnte ich klare Logik annehmen.

    Zwar nahm ich wahr, dass ihr der barbarische Einfluss nicht unbedingt gefiel, doch war meine Neugierde geweckt.


    "Etwas anders, als in Rom? Das klingt doch interessant. Jedenfalls aus einer rein wissenschaftlichen Sicht."


    Während ich sprach, ging ich neben ihr her in Richtung der Basilica Germanica.

    "Vor allem finden wir dort eine Taberna, die ich schon vor meiner Reise reserviert habe. Es lohnt sich, die richtigen Leute zu kennen. Beispielsweise einen Mandanten, dessen Schwager zufällig für die Verwaltung der Tabernae in dieser Basilika zuständig ist."


    Ja, durch meine Tätigkeit als Advocatus kannte ich recht viele vermögende und einflussreiche Personen.


    "Allerdings kann ich sie noch nicht übernehmen, weil ich schneller hier angekommen bin, als erwartet. Welche Tempel gibt es hier eigentlich?"

    "Abgebrannte Ruinen sind super! Das ist wie in Rom."


    Dabei musste ich laut lachen, obwohl es sicher für die Bewohner der Insulae Roms, die öfter einmal abbrannten oder einfach so einstürzten, überhaupt nicht lustig war.


    "Ist das da die Basilica Germanica?"

    Ich zog eine Augenbraue hoch, als sie mich belehrte, nicht die ganze Welt mit Rom zu vergleichen.


    "Wie es scheint, hast du dich hier auch mit Philosophie beschäftigt. Jedenfalls war das ein sehr weiser Satz. Ich danke dir."


    Das tat ich wirklich. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt geahnt, dass ich in nicht allzu ferner Zeit durch einen Zufall eine Reise in die weite Ferne antreten würde, dann hätte ich diesen Satz noch mehr zu schätzen gewusst.


    "Nun, ich bin gespannt, wie das Forum aussieht."


    Wie das Forum Pacis würde es wohl nicht sein, aber das war selbst für Rom speziell. Vielleicht war es gerade deshalb mein Lieblingsort in Rom.

    "Ich werde dich beim Wort nehmen, Matinius."


    Vielleicht würde ich einmal einen Kommentar zum Codex Militaris verfassen.


    "Etwas habe ich allerdings noch für euch beide."


    Ich ging zum Regal und holte aus einem Sack zwei Bronzetafeln heraus. Es waren Diplomae. Ich nahm die erste Tafel und las den Text vor.


    "Dem Nero Aemilius Secundus, gewesener Vigintivir Roms, Tribunus Laticlavius der Legio XXII Primigenia und Patrizier Roms, wird hiermit die erfolgreiche Teilnahme am Cursus Iuris bestätigt, den der Advocatus Aulus Iunius Tacitus im Jahre DCCCLXXIV A.U.C. gehalten hat. Er beherrscht die Grundlagen von Gesetzgebung und Wirksamkeit von Gesetzen, die Grundlagen der Auslegungslehre und die Grundlagen der Prozessführung und wurde den strengen Anforderungen des Lehrers gerecht."


    Dann überreichte ich die Diploma an Secundus.


    "Ich gratuliere."


    Dann nahm ich die zweite Diploma und verlas den Text.


    "Dem Publius Matinius Sabaco, Decurio der Ala I Aquilia Singularum, wird hiermit die erfolgreiche Teilnahme am Cursus Iuris bestätigt, den der Advocatus Aulus Iunius Tacitus im Jahre DCCCLXXIV A.U.C. gehalten hat. Er beherrscht die Grundlagen von Gesetzgebung und Wirksamkeit von Gesetzen, die Grundlagen der Auslegungslehre und die Grundlagen der Prozessführung und wurde den strengen Anforderungen des Lehrers gerecht."


    Dann überreichte ich diese Diploma an Sabaco.


    "Ich gratuliere."

    Von der Via Borbetomaga kommend waren Matidia und ich inzwischen in der Stadt Mogontiacum angekommen. Die Canabae lagen noch außerhalb der Mauern, aber wenigstens sah es nach Stadt aus. Jedenfalls grob, kein Vergleich zu Rom.


    "Auf dem Weg zur Domus Iunia bin ich hier vorbeigekommen. Hier nennt man es eine Stadt, in Rom wäre es nicht einmal ein Bezirk."


    Das war noch nicht einmal abwertend gemeint, sondern eine reine Darstellung der Fakten. Ich war eben ein Großstadtmensch.


    "Wollen wir zum Forum gehen? Das kann ja nicht allzu weit sein."


    Mit etwas Glück hatten sogar schon Geschäfte geöffnet, obwohl es noch recht früh war. Wir waren ja zeitig aufgebrochen.

    Über diese Worte freute ich mich sehr.


    "Ich danke dir, Aemilius Secundus. Falls du einmal eine zweite juristische Meinung benötigst, kannst du dich gerne an mich wenden."


    Ich wandte mich an Sabaco.


    "Das gilt natürlich auch für dich, Matinius Sabaco."


    Dann wandte ich mich an beide.


    "Für die guten Diskussionen möchte ich euch beiden danken. Ich habe auch von euch gelernt."

    Dann war die Gerichtsverhandlung soweit abgeschlossen.


    "Nun, meine Herrschaften, dann haben wir es geschafft. Ihr habt die Grundlagen des Rechtswesens und der Auslegungslehre gelernt und eine Gerichtsverhandlung simuliert. Die Praxis könnt ihr nur in echten Prozessen lernen. Ich will hier noch ein paar Ratschläge geben. Achtet immer genau darauf, die anwendbaren Gesetze zu zitieren. Wenn ihr Kläger seid, fordert ihr die gesetzliche Höchststrafe, aber ihr geht nicht über das Gesetz hinaus. Auch dann nicht, wenn euch die Strafe ungerecht niedrig vorkommt. Wenn ihr Verteidiger seid, fordert ihr Freispruch. Wenn offensichtlich ist, dass euer Mandant schuldig ist, fordert ihr die gesetzliche Mindeststrafe und appelliert an die Milde des Gerichts. Wenn ihr die Gelegenheit habt, einen erfahrenen Advocatus vor Gericht als Assistent zu begleiten, solltet ihr sie nutzen. Ein Tirocinium Fori bei einem Praetor bietet sich auch an."


    Nach diesen Tipps gab es nur noch eins zu tun.


    "Gibt es noch Fragen zur Juristerei? Noch sitzen wir hier und können diskutieren."