Nach ein paar Tagen, in denen wir uns ausruhen und Kraft für den nach einhelliger Meinung schwierigsten Teil der Reise sammeln konnten, war der Abend vor der Abreise. Ich war mit Arpan in einer Taverne etwas essen. Mit ihm musste ich noch etwas besprechen.
"Mein guter, treuer Arpan. Setz dich, wir müssen etwas Wichtiges besprechen."
"Ja, Herr?" fragte er und schien zu rätseln, was so wichtig sein könnte, dass ich es in einem fast feierlichen Ton vortrug.
Ich überreichte ihm eine versiegelte Bulle. "Hiermit lasse ich dich frei. Du sollst kein Sklave mehr sein. Zugleich heiße ich dich in der Gens Iunia willkommen, denn als Libertus bist du ein römischer Bürger und Teil meiner Gens."
Arpan sah mich nur ungläubig an, also sprach ich einfach weiter. "Ich habe beschlossen, dich Marcus Iunius Firmus zu nennen. Ich hoffe, dass es dir nichts ausmacht. Auf Grund deiner treuen Dienste will ich dich von allen Pflichten eines Klienten befreien."
Arpan konnte es noch nicht glauben. "Frei?" fragte er und sah verwirrt aus.
"Ja, frei." Ich gab ihm noch einen Beutel voller Münzen. "Und du heißt jetzt Marcus Iunius Firmus, wenn du damit einverstanden bist."
Er blickte auf die Bulle und dann auf den Beutel. "Wofür ist das?"
"Damit solltest du es schaffen, in deine Heimat zurückzukehren. Du kannst dich mit den Leuten hier verständigen, es kann also nicht so weit sein. Freust du dich denn gar nicht? Und passt dir der Name?"
Langsam schien Arpan zu realisieren, dass er nicht träumte. "Herr... das Geld... aber... aber..." Dann schien er zu realisieren, was ich noch gesagt hatte. "Welcher Name?"
"Marcus Iunius Firmus."
Arpan nickte, schien aber immer noch etwas geistig abwesend zu sein. "Ja, der passt mir. Danke."
"Dafür brauchst du mir nicht danken." Ich beugte mich über den Tisch und klopfte ihm auf die Schulter. "Hast du dir verdient. Und, wie gesagt, deine Heimat scheint nicht fern zu sein. Kehre zurück nach Hause und lebe dein Leben." Dabei lächelte ich ihn an.
Nun schüttelte er allerdings energisch den Kopf. "Herr, bei allem Respekt, meine Heimat ist Rom. Dort habe ich Freunde gefunden, dort gibt es Thermen, dort muss ich nicht dauernd durch die Steppe reiten."
Ich zuckte mit den Schultern. "Auch gut, dann gehst du eben zurück nach Rom. Ich kann dir eventuell ein paar meiner Notizen mitgeben, dann habe ich weniger Material zu transportieren."
Wieder schüttelte er den Kopf. "Nein, das werde ich nicht. Ich kann dich nicht alleine lassen. Du brauchst meine Hilfe."
Nun war ich etwas verärgert. Wie konnte er mich für so unselbstständig halten? "Ich denke, ich schaffe das auch ohne dich. Jì Dé wird mich bis in seine Heimat mitnehmen. Also, was kann schon passieren? Er kennt sich hier sicher besser aus als du. Nutze deine Freiheit!"
"Herr, ernsthaft, es gibt hier überall Gefahren. Außerdem mag ich dich. Du warst immer gut zu mir. Und ich habe geschworen, dich sicher nach Hause zurückzubringen."
Jetzt war ich nicht mehr verärgert, sondern erstaunt. "Wann soll das gewesen sein? Ich kann mich nicht an einen solchen Schwur erinnern."
"Ich schwor es den Göttern, als wir in Antiochia waren. In dem zweiten Antiochia. Da war ich näher an meinen Göttern."
"Und warum sollten fremde Götter jemandem böse sein, der einen Schwur zu Gunsten eines Römers bricht?"
"Herr, das ist nicht lustig. Einen Schwur zu brechen, kostet meine Ehre. Noch schlimmer ist es, wenn ich einen Schwur zu meinen Göttern breche."
Da konnte ich ja nur schwer etwas gegen sagen. "Verstehe. Na gut, komm mit. Aber dann musst du dir dein Geld gut einteilen. Du bist jetzt ein freier Mann, da werde ich dich nicht dauernd verpflegen können."
Wir unterhielten uns noch etwas über die Götter und die Welt, bevor wir wieder in die Karawanserei zurückkehrten, um am nächsten Morgen ausgeruht weiterreisen zu können.