Cena mit den Liberti
Meine Gemahlin war in Matronen-Angelegenheiten in der Stadt unterwegs, darum hatte ich mir heute zur Gesellschaft nicht nur Icarion eingeladen, sondern auch meine beiden besten Leibwächter mit an den Tisch gebeten. Alle drei gingen schon so lange mit mir durch dick und dünn, waren mir selbst in der Zeit der Verfemung nicht abtrünnig geworden, so dass ich sie mittlerweile durchaus auch als Freunde ansah… obgleich wenn der Umstand, dass ich sie einstmals käuflich erworben hatte, wahrscheinlich niemals bedeutungslos sein konnte.
Meine Liberti und ich schmausten Muschelsuppe, vorzügliche Seeigel und gegrillte Doraden, tranken einen frischen Chier dazu, bedient von Philodemus, dem Unscheinbaren, und von Silas, dem Spröden. (Anscheinend hatte unsere Vilica dessen Strafe beendet – mir sollte es recht sein, optisch war es ein Gewinn.)
Wir unterhielten uns eine Weile über das Stadtgeschehen, den Aquaeduktbau, das letzte Wagenrennen. Fernab der Castra versuchte ich, einmal nicht an die Machenschaften blasphemischer Verschwörer zu denken, nicht an die Unwägbarkeiten meiner Nabataea-Strategie, schon gar nicht an die Schwierigkeiten mit meinem Kommandanten. Es hieß, er habe beschlossen, das Archiv von Grund auf neu zu organisieren. Es hieß, er habe bereits einen hochrangigen Sonderbeauftragten dafür im Auge. Mars und Bellona und gütiger Serapis, steht mir bei, dass dieses Damoklesschwert an mir vorbei fällt und stattdessen jemand anderen erschlägt!
Nun war ich doch abgeschweift, und als ich gedanklich zurückkehrte, hatte das Tischgespräch sich dem Thema Gemüse zugewandt.
Pelias, der tatsächlich als einziger nur bei den Beilagen zugegriffen hatte, verkündete:
„Seitdem ich nichts Beseeltes mehr esse, ist mein Kopf klarer und mein Leib noch ausdauernder. Auch fällt es mir viel leichter, die tierischen Leidenschaften der Seele zu bezwingen. Ich bin kein Philosoph, kein Platoniker, nur ein bescheidener Custos, und doch ich bin der festen Überzeugung, dass diese Welt eine bessere wäre, wenn alle Menschen sich von Gemüse ernähren würden. Ich habe gehört, dass Pythagoras von Samos gesagt hat: ‚Alles was der Mensch den Tieren antut, kommt auf den Menschen wieder zurück.“
„Auch Pflanzen wachsen, wenden sich der Sonne zu, sterben. Wenn das mal nicht von Seele zeugt.“ Widersprach ihm Arkadios einsilbig, streute mehr Thymian auf den Fisch und steckte sich einen großen Bissen in den Mund. „Wenn du konsequent weiterdenkst, darfst du am Ende gar nichts mehr zu dir nehmen.“
„Eine Welt ganz ohne animalische Leidenschaften erschiene mir dröge… vieler Reize beraubt“, warf ich ein, den Blick auf Icarion gerichtet.
Der hatte nur mäßig gegessen, reinigte sich gerade penibel die Finger in Minzwasser, begann dann seine Kithara zu stimmen. Versonnen waren die bronzefarbenen Züge, als er horchte, weich gewölbt ruhten die Lippen aufeinander, geschmeidig war der Gang seiner Finger.
Icarion war mir eine große Stütze, ein Trost, eine verlässliche Labsal, in dieser Zeit, in der ich mich unablässig nach dem fernen Kyriakos verzehrte, und mich zugleich gezwungen sah, meinen ehelichen Pflichten gegenüber meiner Gattin gerecht zu werden. Wieder und wieder hatte ich ihr beigewohnt, in den vergangenen Monaten, eine monotone Pflichterfüllung, doch noch immer war kein Erbe in Sicht.
Das einzige, was mich ein Stück weit beruhigte, und mir die Furcht nahm, es könne an mir liegen, das war, dass Scybale, mit der ich vor der Hochzeit zum Üben geschlafen hatte, dadurch schwanger geworden war. Ich hatte sie dann nach Ostia auf unser Landgut geschickt, sie freigelassen, und der Obhut des treuen Verwalterehepaares anvertraut. Mittlerweile hatte sie glücklich einem kleinen Bastard das Leben geschenkt. Ich hatte ihn noch nicht gesehen, doch der Verwalter schrieb, er sei kräftig und wohlauf. Ich überlegte, das Kind, vorausgesetzt dass es überlebte, nach Rom zu holen, und hier im Haus erziehen zu lassen. Vielleicht auch zusammen mit Scybales älterem Sohn, der wohl von meinem Cousin Flavus stammte. Aber natürlich musste ich diese Angelegenheiten zuerst mit meiner Gattin besprechen, denn sie war mir sehr lieb und ich wollte sie weder traurig machen noch beschämen.
„Und ein Fisch ist an Seele natürlich nicht mit einem treuen Reitpferd zu vergleichen…“ nahm ich den Faden wieder auf, „Doch selbst wenn wir nicht anzweifeln, was Pythagoras da postuliert hat, glaube ich nicht, dass die Tiere, die wir töten, ins Gewicht fallen, gegenüber den Menschen, die wir töten. Ich meine, Pelias, wenn du zurückschaust, wie viele waren es? Als Retiarius? Und später? Was macht da ein Filet oder Braten mehr oder weniger noch aus?“
„Ich unterscheide zwischen notwendigem und mutwilligem Töten…“ begann Pelias, doch ich war schon wieder abgeschweift, bei dem Gedanken daran, wie viele Soldaten bereits unter meinem Kommando gefallen waren…